Die Frage nach der Fehleranfälligkeit von Bebauungsplänen beschäftigt immer wieder Gemeinden, Gerichte und Gesetzgeber. Die Gründe für das Scheitern von Bebauungsplänen sind sehr unterschiedlich.[1] Neben formellen Fehlern fallen vor allem Verletzungen des Abwägungsgebotes, aber auch Verstöße gegen die Instrumente der Raumordnung zur Steuerung der Siedlungsentwicklung ins Gewicht. Der als kommunale Satzung Normcharakter besitzende Bebauungsplan ist teilweise oder sogar vollständig nichtig, wenn im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung die Fehlerhaftigkeit festgestellt wird.
Wissen und Einsicht erforderlich
Finanzielle Folgen und erheblicher Ärger lassen sich ersparen, wenn die planende Kommune von vornherein eine fehlerfreie Bauleitplanung durchführt und die einschlägigen Bestimmungen beachtet. Dies setzt voraus, dass sich die zuständigen Fachplaner über die maßgeblichen Gesetze und deren Änderungen insbesondere durch Kommentierungen (BauGB, BauNVO) und aktuelle Urteile (BVerwG, OVG/VGH) „auf dem Laufenden“ halten.
Neben umfangreichem Fachwissen ist die Bereitschaft erforderlich, die Bestimmungen auch tatsächlich einhalten zu wollen. Viele Gemeinden sind ganz offensichtlich nicht bereit, ihre Bauleitplanung in Einklang mit den geltenden Raumordnungszielen aufzustellen.
Mangelnde Bereitschaft in Everswinkel
Auch die Gemeinde Everswinkel hielt es in den vergangenen Jahrzehnten nicht für erforderlich, die kommunale Bauleitplanung in den überörtlichen Planungszusammenhang der Raumordnung einzubetten. Obwohl der Verwaltung und den Kommunalpolitikern die im Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen und im Regionalplan Münsterland enthaltenen Bestimmungen zur „Eigenentwicklung“ von Orten unter 2.000 Einwohnern bekannt waren, wurde hiergegen in geradezu ritualisierter Form verstoßen.
Im Rahmen der Aufstellung von Bebauungsplänen im „Eigenentwicklungsortsteil“ Alverskirchen der Gemeinde Everswinkel wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass entsprechend den raumordnerischen Zielsetzungen zusätzliche Baufläche im bisherigen Freiraum nur für den Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung ausgewiesen werden dürfe. Tatsächlich wurde dann aber entgegen den Bestimmungen jeweils ein überdimensioniertes Baugebiet ausgewiesen, um die stets in erheblichem Umfang über den Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung zur Verfügung stehenden Grundstücke an Auswärtige zu verkaufen.
Fortsetzung des rechtswidrigen Verhaltens
Durch die Bereitstellung günstiger Baugrundstücke für nicht Ortsansässige sollten junge Familien aus den Nachbargemeinden „angelockt“ werden. Eine Wohnungsbauplanung, die auf Zuwanderungsüberschuss abzielt und damit vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung den interkommunalen Kannibalismus forciert, widerspricht den Zielsetzungen der Raumordnung.
Auch als das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 in einem Urteil ausdrücklich darauf hinwies, dass für die Ausweisung von zusätzlichen Baugebieten in Eigenentwicklungsortsteilen der Nachweis des Bedarfs der ortsansässigen Bevölkerung erforderlich sei[2], ließen Verwaltung und Kommunalpolitiker in Everswinkel sich in ihrem rechtswidrigen Umgang mit den raumordnerischen Bestimmungen nicht beirren.
2009 trafen die Kommunalpolitiker die Entscheidung zur Ausweisung einer Baufläche für über 100 Wohneinheiten ohne Informationen über die künftige Bevölkerung, geschweige denn Informationen über den voraussichtlichen Wohnungsbedarf der ortsansässigen Bevölkerung Alverskirchens zu haben.
Erheblicher Schaden durch Rechtsbruch
Mit Urteil vom 18.10.2013 wurde im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vom Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen folgerichtig die Nichtigkeit des Bebauungsplans „Königskamp“ festgestellt, da die Gemeinde Everswinkel erneut gegen die Ziele der Raumordnung verstoßen hatte.[3]
Häufig sind Bebauungspläne aufgrund von Formfehlern oder in Unkenntnis sich ändernder Bestimmungen fehlerhaft. Das Verhalten von Verwaltung und Kommunalpolitikern zeigt im Bauleitverfahren „Königskamp“ im Eigenentwicklungsortsteil Alverskirchen sicherlich Züge eines vorsätzlichen Rechtsbruchs.
Beschlüsse des Gemeinderates, die zu einem vorsätzlichen Rechtsbruch führen, lösen einen Schadenersatzanspruch aus, für den die Mitglieder des Rates, ersatzpflichtig sein können. Der bisher durch die Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderates angerichtete Schaden ist nicht unbeträchtlich.
Zum Schutz der Natur und zum Schutz der dörflichen Strukturen sollten zukünftig die der Steuerung der Siedlungsentwicklung dienenden Bestimmungen des Landesentwicklungs- und Regionalplans strikt beachtet werden. Nach wie vor sind aber ganz offensichtlich weder der Bürgermeister, noch die Mehrheit der Kommunalpolitiker in Everswinkel dazu bereit. Vielmehr fordern sie in einer Stellungnahme an die Landesregierung eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen.[4]
Kontraproduktives Verhalten
„Wir wollen nicht, dass uns wieder Bebauungspläne um die Ohren fliegen“, begründet der Bürgermeister die Forderung nach einer Änderung des Landesentwicklungsplans.[5] Mit anderen Worten: Die Gemeinde Everswinkel erklärt ausdrücklich, dass sie nicht bereit ist, ihr Verhalten bei der Ausweisung von Baugebieten den gesetzlichen Bestimmungen anzugleichen. Vielmehr hat die Landesregierung die Gesetze den kommunalpolitischen Wunschvorstellungen einiger Kommunalpolitiker anzupassen.
Ein Anpassung, die unweigerlich zu einer zukünftigen Steigerung des Flächenverbrauchs und damit zu einer weiteren eklatanten Schädigung der Natur führt. Die Beeinträchtigung der dörflichen Struktur und die Verschlechterung der kommunalen Finanzen werden dabei als Kollateralschäden in Kauf genommen.
[1] Vgl. Dillmann, Oliver und andere: Woran scheitern Bebauungspläne?, in: Zeitschrift Baurecht, 2/2018, S. 179 – 186.
[2] OVG NRW, Urteil 7 A 1862/06 vom 04. Dezember 2006.
[3] OVG NRW, Urteil 10 D 4/11 vom 18. Oktober 2013.
[4] Sitzung des Ausschusses für Planung und Umweltschutz der Gemeinde Everswinkel vom 05. Juli 2018, TOP 4: Änderung des Landesentwicklungsplans NRW – Stellungnahme der Gemeinde Everswinkel.
[5] Artikel in den „Westfälischen Nachrichten“ vom 12. Juli 2018: Hoffnung auf mehr Freiheiten.