Zu Beginn jeder Ratssitzung erhalten Bürger in der Gemeinde Everswinkel maximal fünf Minuten Redezeit, um sich aktiv in Angelegenheiten ihrer Kommune einbringen zu können. Nach der Geschäftsordnung wird das Rederecht der Bürger im Rahmen der sogenannten „Einwohnerfragstunde“ gewährleistet. Jeder Fragesteller darf sich mit Fragen an den Rat und den Bürgermeister wenden.[1]
In der Sitzung des Gemeinderates am 12. September 2023 machte Alfred Wolk von seinem Rederecht Gebrauch und appellierte an die Kommunalpolitiker, beim Tagesordnungspunkt „Änderung des Regionalplans Münsterland“[2] insbesondere im Interesse der nachfolgenden Generationen die raumordnersichen Zielsetzungen zu beachten.
Redebeitrag von Alfred Wolk im Rahmen der Einwohnerfragestunde in der Sitzung des Gemeinderates am 12. September 2023
Im Oktober 2013, also vor ziemlich genau 10 Jahren, hat das Oberverwaltungsgericht das Königskamp-Urteil gefällt. In dem Urteil wird in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Mehrheit der Kommunalpolitiker in Everswinkel rechtswidrige Beschlüsse gefasst und damit der Allgemeinheit geschadet hat. Die Richter haben dem Bürgermeister und den Kommunalpolitikern in der schriftlichen Urteilsbegründung einen bemerkenswerten Mahnruf für ihr zukünftiges Verhalten mit auf den Weg gegeben.
Sinngemäß haben sie folgenden Appell an den Gemeinderat gerichtet: „Liebe Mitglieder des Gemeinderates, bitte beachten Sie in Zukunft die Ziele der Raumordnung. Sie haben nämlich einen Sinn. Mit den Regelungen des Regionalplans soll unter anderem dem fortschreitenden Flächenverbrauch entgegengetreten und dem Umweltgedanken Rechnung getragen werden. Wenn die Mitglieder des Gemeinderates sich jedoch aus egoistischen Motiven darüber hinwegsetzen, müssen zwangsläufig die gesamtgesellschaftlichen Ziele scheitern.“[3]
Soweit die obersten Verwaltungsrichter des Landes Nordrhein-Westfalen.
Welche Konsequenzen haben die Kommunalpolitiker daraus gezogen? Antwort: keine.
Im Gegenteil: Nach dem Motto jetzt erst recht, wurde mit einem erheblichen Aufwand zunächst der Bebauungsplan Nr. 56 „Königskamp II“ beschlossen. Mit dem Ziel, möglichst viel Siedlungsfläche in Anspruch nehmen zu können, wurde per Satzung festgelegt, dass auf jedem Grundstück nur eine Wohneinheit errichtet werden darf. Ein ökologischer und ökonomischer Irrsinn.
Um den fälligen Ökoausgleich zu unterlaufen wurde der sich anschließende Bebauungsplan Nr. 58 „Königskamp III“ mit Hilfe des § 13 b BauGB auf den Weg gebracht. Auch an dieser Stelle offenbarte sich erneut ein obskures Rechts- und Naturverständnis: Verwaltung und Kommunalpolitiker glaubten auf den obligatorischen Ökoausgleich verzichten zu können. Diesem Naturfrevel ist allerdings durch ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein Riegel vorgeschoben worden. § 13 b BauGB wurde für rechtswidrig befunden und damit sind alle Baugebiete die nach § 13 b aufgestellt wurden, gesetzeswidrig. Also auch „Königskamp III“ in Alverskirchen.
Die Mehrheit der Everswinkeler Kommunalpolitiker wird auch heute Abend wieder für ein weiteres Unterlaufen raumordnerischer Zielsetzungen plädieren.
So wird mit der Zustimmung zur Ausweisung Alverskirchens als Siedlungsfläche das Zentrale-Orte-Prinzip des Raumordnungsgesetzes missachtet und mit der Forderung nach Siedlungs- und Gewerbeflächen über den notwendigen Bedarf hinaus wird das gesamtgesellschaftliche Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, ad absurdum geführt.
Während tausende junger Menschen für den Erhalt der Natur demonstrieren, fassen Sie den folgenschweren Beschluss, die Naturzerstörung hier vor Ort und im gesamten Münsterland zu forcieren.
„Kommunalpolitik ist die Schule der Demokratie“ heißt es häufig, um zu verdeutlichen, dass Demokratie vor Ort beginnt, in den Städten und Gemeinden, in denen die Bürger leben.
Mein Frage an den Bürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderates: Was lernen junge Menschen in Everswinkel und Alverskirchen in Sachen Demokratie, wenn ihre gewählten Vertreter es nicht so ernst nehmen mit der Einhaltung des geltenden Rechts?
Was lernen junge Menschen in Everswinkel und Alverskirchen, wenn die Kommunalpolitiker in Anbetracht der Klimakrise Forderungen nach Natur- und Umweltschutz ablehnen?
Was lernen junge Menschen in Everswinkel und Alverskirchen, wenn sich der Gemeinderat durch die Zustimmung zur Fortschreibung des Regionalplans an einem Wettbewerb beteiligt, dessen Ziel es ist, möglichst schnell die Zukunft unserer Kinder zu verbauen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Vertiefend siehe: Regionalplan Münsterland
[1] Geschäftsordnung der Gemeinde Everswinkel: § 9 Anfragen/Bürgeranhörung
[2] Sitzung des Rates der Gemeinde Everswinkel am 12. September 2023, Tagesordnungspunkt 2: Änderung des Regionalplans Münsterland – Konzept Neufestlegung Allgemeiner Siedlungsbereich in Alverskirchen und Stellungnahme der Gemeinde Everswinkel –
[3] Vgl. OVG-Urteil vom 18. Oktober 2013, 10 D 4/11.NE, Seite 21.