Regionalplan: Petitionen abgelehnt

Im Rahmen der Änderung des Regionalplans Münsterland wurden zwei Petitionen an den Rat der Gemeinde Everswinkel gerichtet.

Mit der Petition „Lebensqualität in Alverskirchen erhalten“ wurden die Kommunalpolitiker aufgefordert, folgenden Beschluss zu fassen:

„Der Rat der Gemeinde Everswinkel widerspricht der Ausweisung des Ortsteils Alverskirchen als „Allgemeinen Siedlungsbereich“ im Regionalplan Münsterland.“

„Ignoranz der Fakten beenden – Schrumpfung akzeptieren – Schaden vermeiden“ lautete der Titel der zweiten Petition. Der Beschlussvorschlag hier:

„Der Rat der Gemeinde Everswinkel lehnt den Entwurf zur Änderung des Regionalplans Münsterland ab. Die Bezirksregierung wird aufgefordert, eine realistische und sachgerechte Bedarfsberechnung vorzulegen, die auf eine deutliche Verringerung des zukünftigen Flächenverbrauchs im Münsterland abzielt.“

Die Petitionen wurden von den Kommunalpolitikern lediglich zur Kenntnis genommen, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den dezidierten Argumenten erfolgte ebenso wenig wie die Abstimmung über die konkreten Beschlussvorschläge.

Sowohl vom Ausschuss für Planung, Umwelt und Klimaschutz[1] als auch vom Hauptausschuss[2] wurden beide Petitionen mehrheitlich abgelehnt.

Die Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt- und Klimaschutz wurde auf Antrag geöffnet und dem Petenten Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben. 

Stellungnahme im Ausschuss für Planung, Umwelt- und Klimaschutz am 31.08.2023 des Petenten Alfred Wolk

Sie haben soeben Entscheidungen mit weitreichender Bedeutung sowohl für das Münsterland, als auch für die Gemeinde Everswinkel und insbesondere für den Ortsteil Alverskirchen getroffen.

Mehrheitlich haben Sie der Änderung des Regionalplans zugestimmt und damit ihr Einverständnis erklärt, dass in den nächsten Jahren mehr als 6.500 ha bisher überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen in Wohnbau- und Gewerbeflächen umgewidmet werden. Damit wird mehr als 200 Landwirten im Münsterland die Existenzgrundlage entzogen und damit entfällt für ca. 30.000 Menschen die Nahrungsgrundlage.

Mit Ihrer Entscheidung haben Sie auch zugestimmt, dass gravierende Eingriffe in den Naturhaushalt erfolgen und irreversible Schäden für die Biodiversität und für das Klima entstehen.

Es stellt sich die Frage, weshalb treffen Kommunalpolitiker angesichts der mittlerweile unübersehbaren Klimaveränderungen und den für jeden wahrnehmbaren Umweltschäden bewusst eine Entscheidung, die zu weiteren drastischen Schäden führt und den nachfolgenden Generationen im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen entzieht?

Mir fallen an dieser Stelle nur zwei Antworten ein: Entweder es handelt sich um Realitätsverweigerung oder um Resignation angesichts der immer größer werdenden Probleme, die Sie als Kommunalpolitiker in Everswinkel in den nächsten Jahren zu bewältigen haben. Statt nachhaltige Lösungen im Interesse des Allgemeinwohls zu entwickeln haben Sie sich für die Fortsetzung der „Nach-uns-die Sintflut-Politik“ entschieden.

Realität in Everswinkel und auch in allen anderen Kommunen des Münsterlandes sind insbesondere einschneidende demografische Veränderungen. Wesentliche Merkmale sind eine starke Alterung der Bevölkerung und ein dynamisch fortschreitender Rückgang der natürlichen Bevölkerung.

Für die Gemeinde Everswinkel bedeutet demografische Veränderung insbesondere, dass die Zahl der über 80-jährigen sich in den nächsten Jahren nahezu verdoppelt und von ca. 600 auf 1.200 ansteigt.

Gleichzeitig geht die Zahl der jüngeren Einwohner immer weiter zurück, was dazu führt, dass durch die weiter abnehmende Zahl gebärfähiger Frauen sich die Zahl der Geburten weiter stark reduzieren wird.

Auf den Punkt gebracht: Bis zum Jahr 2050 werden 2.299 Kinder geboren, gleichzeitig sterben 3.417 Einwohner. Die natürliche Bevölkerung in Everswinkel reduziert sich um rund 1.100 Personen.[3]

Diese Zahlen haben nichts mit Prognosen im Sinne von „ich schaue einmal in die Glaskugel“ zu tun. Es handelt sich um relativ exakte Berechnungen, die bis auf ganz geringfügige Abweichungen so eintreten werden.

Diesen Zahlen kann sich doch kein verantwortungsvoller Kommunalpolitiker verweigern und die Realität ausblenden. Vielmehr sind die kommunalpolitischen Entscheidungen darauf abzustellen.

Da alle Kommunen im Münsterland von dieser Problematik betroffen sind, ist ein Wettbewerb um die weniger werden Einwohner vollkommen sinnlos. Bei der weiteren Teilnahme an diesem Wettbewerb kann auch die Gemeinde Everswinkel die Niederlage nur hinauszögern. Je länger sie jedoch an ihrer Kirchturmpolitik festhält, je größer wird der Schaden.

Vor diesem Hintergrund zu glauben, durch eine Ausweitung des Baulandangebotes vor allem in Alverskirchen die demografischen Probleme bewältigen zu können, erinnert stark an einen Schildbürgerstreich.

Mit dem Argument, wir wollen kein „Stoppschild“ in Alverskirchen aufstellen soll Alverskirchen zukünftig im Regionalplan als Siedlungsfläche ausgewiesen werden. Weder der Gemeinderat, noch die Bürger Alverskirchens wurden im Vorfeld in diesen Entscheidungsprozess einbezogen.

Offenbar aus gutem Grund: Es hat weder in der Vergangenheit bezüglich der Dorfentwicklung ein „Stoppschild“ in Alverskirchen gegeben, noch ist beabsichtigt mit dem neuen Regionalplan dort ein solches aufzustellen. Unwahre Behauptungen werden durch ständiges Wiederholen nicht wahrer. Die regelmäßige Wiederholung einer Falschaussage hat lediglich den Vorteil, dass der ein oder andere das Ganze dann irgendwann auch glaubt.

In Alverskirchen ging es nie um ein „Stoppschild“ wie in der Bezirksausschusssitzung am Dienstag behauptet wurde. Das zeigt die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Seit dem Zusammenschluss mit Everswinkel 1975 ist Alverskirchen kontinuierlich um ca. 600 Einwohner gewachsen (Bevölkerung 1975 = 1.327).

Es ging bei der bisherigen raumordnerischen Zuordnung Alverskirchens als sog. Eigenentwicklungsortsteil keineswegs um ein Stoppschild, sondern aus gutem Grund um ein „Tempolimit“. Ein Tempolimit wird üblicherweise dort eingerichtet, wo Gefahren drohen. Um die Gefahr eines Ausverkaufs der Natur und die Zerstörung der dörflichen Strukturen zu verhindern hat Alverskirchen im Regionalplan den Status einer „Freifläche“ erhalten.

Im Rahmen eines sogenannten „Entfesselungspaketes“ der Landesregierung soll das bisherige „Tempolimit“ nun aufgehoben werden. Mit ihrer soeben getroffenen Entscheidung haben Sie sich damit einverstanden erklärt, dass Alverskirchen nunmehr ungeschützt den Gefahren sowohl der Zerstörung des dörflichen Charakters, als auch der Gefahr der Verschlechterung der Lebensqualität preisgegeben wird.

Mein Appell an Sie: Die Zukunft Everswinkels und des Ortsteils Alverskirchen sollte nicht auf der Grundlage des Ausverkaufs der Natur gestaltet werden. Wir sollten uns alle stärker als bisher der Verantwortung gegenüber der Natur und den nachfolgenden Generationen bewusst werden.

Wenn die Generation vor uns (also die Kriegsgeneration) gefragt wurde, warum habt ihr das zugelassen, lautete in der Regel die Antwort, wir haben das nicht gewusst.

Wenn unsere Generation später einmal gefragt wird, warum habt ihr diese Verbrechen an der Natur zugelassen, lautet die Antwort, wir wollten es nicht wissen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

 

Petition: Lebensqualität in Alverskirchen erhalten

Petition: Ignoranz der Fakten beenden – Schrumpfung akzeptieren – Schaden vermeiden.

Vertiefend siehe: Regionalplan Münsterland

[1] Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt- und Klimaschutz am 31. August 2023.
[2] Sitzung des Hauptausschusses am 05. September 2023.
[3] IT.NRW: Bevölkerungsvorausberechnung für die Gemeinde Everswinkel bis 2050, Analysevariante.