Everswinkel will kommunale Wohnungsbaugesellschaft gründen

Wenn es im Rat der Gemeinde Everswinkel um das Thema Wohnungsbau geht, ist der Focus von der Verwaltung und den Kommunalpolitikern in der Regel auf die Ausweisung von Einfamilienhausgebieten auf der „grünen Wiese“ am Ortsrand gerichtet.

Auch in Zukunft sollen durch den Verkauf von preiswertem Bauland einkommensstarke junge Familien aus den Umlandgemeinden zur Errichtung von Einfamilienhäusern in Everwinkel und Alverskirchen animiert werden.[1] Im Regionalplan Münsterland, der sich aktuell in der Fortschreibung befindet, werden für Everswinkel 10 ha Siedlungsfläche für den Bau von ca. 375 neuen Wohneinheiten berücksichtigt.[2]

Da die Priorisierung von Einfamilienhäusern als teuerste Wohnform der Deckung des Bedarfs an bezahlbaren Wohnungen für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte diametral gegenübersteht, sollen in den nächsten Jahren parallel zur Fortsetzung des Einfamilienhausbaus 72 kleinere Wohnungen ( je 80 qm) im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus durch eine von der Gemeinde Everwinkel noch zu gründende kommunale Wohnungsbaugesellschaft errichtet werden.[3]

Entkoppelung der Bevölkerungsentwicklung von der Wohnungsentwicklung

Mit dem Bau kommunaler Wohnungen durch die gemeindeeigene Wohnungsbaugesellschaft wird die in den letzten Jahren bereits zu verzeichnende Entkoppelung der Bevölkerungsentwicklung von der Wohnungsentwicklung weiter forciert.

Während sich die Bevölkerung in Everswinkel von 2010 bis 2022 lediglich um 3% erhöhte, stieg im gleichen Zeitraum die Anzahl der Wohnungen um 13,8%. Für einen Bevölkerungszuwachs von 286 Einwohnern wurden 546 neue Wohneinheiten errichtet.[4]

Durch die Fortsetzung der auf einen stetigen Anstieg des Wohnungsangebots gerichteten kommunalen Siedlungspolitik wird vor dem Hintergrund einer aufgrund der demografischen Veränderungen zukünftig in Everswinkel schrumpfenden Bevölkerung[5] das Missverhältnis zwischen Bevölkerungs- und Wohnungsentwicklung weiter drastisch vergrößert.

Verschlimmerung des kommunalen Finanzdesasters

Mit der Entscheidung für die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft sind der Bürgermeister und die Kommunalpolitiker auch bereit, erhebliche finanzielle Belastungen für den gemeindlichen Haushalt in Kauf zu nehmen. So sind allein 5.700.000 € an Eigenkapital in die gemeindeeigene Gesellschaft einzubringen.[6]

Aufgrund der sich in den nächsten Jahren drastisch verschlechternden Liquidität der Gemeinde wird der einzubringende Eigenkapitalanteil unvermeidlich die Verschuldung und damit auch die Zinslasten erhöhen.

Aus der mit dem Haushaltsplan 2024 vorgelegten mittelfristigen Ergebnisplanung ergibt sich für die nächsten vier Haushaltsjahre ein Fehlbetrag von rund 7.300.000 €[7]. Mit anderen Worten: Es erfolgt eine erhebliche kommunale Kapitalvernichtung.

Auch die mittelfristige Finanzplanung weist aufgrund der beträchtlichen Defizite der Ergebnisrechnung und der geplanten umfangreichen Investitionen einen Fehlbetrag in Rekordhöhe aus. Aus einem Liquiditätsbestand von 11.910.684 € am 31.12.2023 wird bis zum 31.12.2027 voraussichtlich ein Minus von -19.596.937 €. Es ergibt sich somit ein Liquiditätsverlust von insgesamt -31.507.621 €.[8]

Kommunalverfassungsrechtliche Wirtschaftsgrundsätze beachten

Zwar kann jede politische Gemeinde im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eigenverantwortlich über die Gründung einer lokalen Wohnungsbaugesellschaft entscheiden, jedoch sind eine Reihe rechtlicher Regelungen zu beachten, mit denen die Gemeinde vor finanziellen Abenteuern bewahrt werden soll.

So ist insbesondere zu gewährleisten, dass ein angemessenes Verhältnis der Wohnungsbaugesellschaft zur Leistungsfähigkeit der Kommune und zum voraussichtlichen Wohnungsbedarf gegeben ist. Sinn und Zweck dieser Regelung ist der Schutz der Kommune vor Tätigkeiten, die ihre Finanzkraft übersteigen sowie die Vermeidung von Überkapazitäten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt.[9]

Zur Klärung der vorstehend genannten Voraussetzungen bedarf es neben der Beantwortung der Frage, ob ausreichend finanzielle Mittel zu Verfügung stehen, insbesondere eines qualifizierten gemeindlichen Wohnraumbedarfskonzepts, das den langfristigen Bedarf an Wohnraum ermittelt. Ein kurzfristiger Bedarf, wie er sich z.B. durch aktuelle Flüchtlingskrisen ergibt, ist jedenfalls keine ausreichende Grundlage, um einen voraussichtlich dauerhaften Bedarf zu prognostizieren.[10]

Weitermachen wie bisher ist keine Option

Mit der Entscheidung für die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ohne fundierte Auseinandersetzung über den künftigen Wohnungsbedarf und ohne kritische Auseinandersetzung mit den finanziellen Folgen für den gemeindlichen Haushalt, offenbarten die Everswinkeler Entscheidungsträger erneut ihren festen Willen, auch zukünftig so weiter zu machen wie bisher – koste es, was es wolle.

Insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, aber auch der wahrnehmbaren klimatischen Veränderungen sind ein Nachplappern der Wachstumsrhetorik und ein Fortschreiben von Strategien, die sich als fehlerhaft erwiesen haben, keinesfalls zukunftsfähig.

Weitermachen wie bisher kann daher für Everswinkel keine Option sein. Wohl aber können die Verwaltung und die Kommunalpolitiker an einem Pfad arbeiten, der vor dem ganz offensichtlich erkennbaren Desaster abbiegt.

[1] Gemeinde Everswinkel: Haushaltsplan 2024, Entwurf, Seite 6.
[2] Zur Fortschreibung des Regionalplans siehe insbesondere die Petition von Alfred Wolk: Ignoranz der Fakten beenden – Schrumpfung akzeptieren – Schaden vermeiden. Abrufbar unter: https://alfred-wolk.de/wp-content/uploads/2023/08/Petition-Regionalplan.pdf
[3] Gemeinde Everswinkel: Anlage 1 zur Vorlage 100/2023 „Das IstaG-Modell Wohnen – Gründung eines interkommunalen Wohnungsunternehmens in der Stadtregion Münster, Exposé zur Vorbereitung“, Seite 21. Abrufbar unter: https://www.everswinkel.de/sessionnet/www/buergerinfo/si0057.php?__ksinr=737
[4] Wohnungsbestand am 31.12.2010 = 3.970
Wohnungsbestand am 31.12.2022 = 4516
Bevölkerung am 31.12.2010 = 9.447
Bevölkerung am 31.12.2022 = 9.733
Alle Angaben wurden den Veröffentlichungen von IT.NRW entnommen.
[5] Zur Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Everswinkel siehe Petition von Alfred Wolk (Fußnote 2).
[6] Gemeinde Everswinkel: Anlage 1 zur Vorlage 100/2023 „Das IstaG-Modell Wohnen“ (Fußnote 3), Seite 23.
[7] Gemeinde Everswinkel: Haushaltsplan 2024, Entwurf, Seite 14 f.
Fehlbetrag 2024 = -2.105.831 €
Fehlbetrag 2025 = -1.900.022 €
Fehlbetrag 2026 = -1.688.919 €
Fehlbetrag 2027 = -1.602.615 €
[8] Gemeinde Everswinkel: Haushaltsplan 2024, Entwurf, Seite 16.
[9] Verband der Wohnungswirtschaft Niedersachsen: Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft – rechtliche Rahmenbedingungen und (betriebs-)wirtschaftliche Voraussetzungen. Abrufbar unter: https://vdw-online.de/wp-content/uploads/2021/03/2021-01-magazin_Gruendung-Wohngesell.pdf
[10] Ebenda.