Alverskirchen: Mehr Dorf für weniger Menschen

Die Steuerung der Siedlungsentwicklung ist ein zentrales Anliegen der Raumordnung. Insbesondere mit Rücksicht auf die Natur wird ein schonender Umgang mit der nur begrenzt vorhandenen Fläche angestrebt. Daher wird der Handlungsspielraum der Gemeinden bei der Aufstellung von Bauleitplänen durch die Ziele der „Raumordnung und Landesplanung“ verbindlich begrenzt.

In Nordrhein-Westfalen erfolgt die Steuerung der Siedlungsentwicklung über Festlegungen im Landesentwicklungsplan (LEP). Nach den Bestimmungen des aktuell gültigen LEP ist der Ort Everswinkel als „Zentraler Ort“ und damit als Siedlungsbereich deklariert. Der zur Gemeinde gehörende Eigenentwicklungsortsteil Alverskirchen liegt mit weniger als 2.000 Einwohnern im landesplanerischen Freiraum.

Ausweisung von Bauflächen auch in Eigenentwicklungsortsteilen möglich

Auch in Eigenentwicklungsortsteilen ist die Ausweisung zusätzlicher Bauflächen grundsätzlich zulässig. Allerdings darf nur so viel zusätzliche Baufläche ausgewiesen werden, dass der Eigenbedarf abgedeckt werden kann. Die Begrenzung auf den Eigenbedarf enthält die klare Aussage, dass alles, was eine Zuwanderung planmäßig fördert, keine „Eigenentwicklung“ mehr ist. Wohnungsbauplanung für Zuwanderungsüberschuss ist unzulässig.

Ziel der Beschränkung auf Eigenentwicklung

Die raumordnerische Ausweisung von Zentralen Orten einerseits und Ortsteilen mit Eigenentwicklung andererseits zielt auf die Steuerung der Siedlungsentwicklung, um Infrastruktur optimal bündeln zu können und eine ungebremste Siedlungsflächenentwicklung mit großer Flächeninanspruchnahme, langen Wegen und hohen Infrastrukturkosten zu vermeiden. Die in den Raumordnungsplänen vorgenommene Einteilung liegt somit nicht nur im Interesse des Schutzes der Natur. Es soll auch eine möglichst hohe Effizienz der öffentlichen Investitionen und damit eine Optimierung für den Haushalt der jeweiligen Kommune erreicht werden.

„Eigenentwicklung“ als Chance begreifen

Die Festlegung als „Eigenentwicklungsortsteil“ zur aktiven Steuerung der Siedlungsentwicklung sollte nicht als Einschränkung begriffen werden – im Gegenteil. Die Chance der Eigenentwicklungsortsteile liegt vor allem in der Erhaltung bestehender Stärken. Intakte dörfliche Gemeinschaften und naturräumliche und landschaftsbildende Qualitäten könnten durch hohe Zuzugszahlen gestört werden.

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der immer knapper werdenden öffentlichen Finanzen sind die Ziele einer ressourcensparenden Siedlungsentwicklung und der Erhalt der dörflichen Gemeinschaft für die Gemeinde Everswinkel langfristig geradezu von existenzieller Bedeutung.

Bürgermeister und Kommunalpolitiker verdrängen die Realität

Leider sind der Bürgermeister und die Mehrheit der Kommunalpolitiker in Everswinkel nicht bereit, maßgebliche raumordnerische Bestimmungen zu beachten, noch die Realität des demografischen Wandels zu akzeptieren.

Mit politischer Rückendeckung insbesondere der Bezirksregierung Münster wurde in der Vergangenheit durch die Ausweisung überdimensionierter Baugebiete im Eigenentwicklungsortsteil Alverskirchen immer wieder gegen die Regeln der Raumordnung verstoßen. In einem Verfahren um das Baugebiet „Köniskamp“ hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen deutlich gemacht, dass ein solches Verhalten jegliche Versuche, den Flächenverbrauch im Interesse des Umweltgedankens zu reduzieren, scheitern lassen. [1]

Die Hoffnung, durch das jahrelange rechtswidrige Verhalten dem demografischen Wandel begegnen zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Trotz kostenintensiver Werbemaßnahmen und des Verkaufs von Grundstücken zu Dumpingpreisen an Auswärtige, ist es in Alverskirchen zu einem Rückgang der Bevölkerung und zur Schließung einer Reihe von Infrastruktureinrichtungen gekommen.

Ein im Auftrag der Gemeinde erstelltes Wohnungsbedarfsgutachten kommt aktuell zu dem Ergebnis, dass auch die Ausweisung neuer Baugebiete auf der „grünen Wiese“ den weiteren Rückgang der Bevölkerung in den nächsten Jahren nicht aufhalten wird. [2] Erschwerend kommt hinzu, das aufgrund der ungünstigen Altersstruktur die Sterberate hochaltriger Immobilienbesitzer ansteigt und sich dadurch der potenzielle Leerstand erhöht.

Alverskirchen ist dabei kein Einzelfall. Auch in zahlreichen anderen kleinen Ortsteilen des Münsterlandes sind der Bevölkerungsrückgang und die Schließung von Infrastruktureinrichtungen wie Post, Bank, Lebensmitteldiscounter und Gaststätten nicht aufzuhalten.

Landesregierung will „Flächenfraß“ forcieren

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will dem längst auch im Münsterland nicht mehr zu leugnenden demografischen Wandel durch ein sogenanntes „Entfesselungspaket“ begegnen. Durch die Lockerung der landesplanerischen Bestimmungen soll zukünftig vor allem den kleinen und kleinsten Ortsteilen die uneingeschränkte Ausweisung von Neubaugebieten im bisherigen Freiraum ermöglicht und damit die Konkurrenz unter den Kommunen um die weniger werdenden Einwohner angeheizt werden.

In einer von der Verwaltung erarbeiteten Stellungnahme stimmte die Mehrheit der Everswinkeler Gemeinderatsmitglieder der auf noch mehr „Flächenfraß“ und Zerstörung der dörflichen Strukturen angelegten Änderungen des Landesentwicklungsplans zu.

Diese Politik ist weder für den Ortsteil Alverskirchen, noch für das Land Nordrhein-Westfalen zukunftsorientiert. Die Forcierung des interkommunalen Kannibalismus im Kampf um die weniger werdenden Einwohner führt zu einem noch verschwenderischen Umgang mit unbebauter Landschaft und damit zu ökologischen, aber auch ökonomischen Schäden, die von den nachfolgenden Generationen zu bewältigen sind.

Paradigmenwechsel in der Flächenpolitik erforderlich

Die Realität des demografischen Wandels ist sowohl von Verwaltung und Kommunalpolitik in Everswinkel als auch von der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu akzeptieren. Der demografische Wandel muss im Interesse einer nachhaltig wirksamen, generationengerechten Politik zu einem Paradigmenwechsel in der Flächenpolitik führen. Ein weiterer Flächenverbrauch durch die Ausweisung von Neubaugebieten im Außenbereich vor allem ländlicher Kommunen ist verantwortungslos. Er ist weder sachlich erforderlich noch ökonomisch und ökologisch vertretbar.

Dörfliche Strukturen stärken

Nicht auf Naturzerstörung angelegtes flächenmäßiges Wachstum ist das Prinzip der Zukunft, sondern qualitative Entwicklung im Sinne der Stärkung dörflicher Strukturen. Aus dieser Erkenntnis heraus sind Maßnahmen zu ergreifen, die das Motto „Mehr Dorf für weniger Menschen“ unterstützen.[3]

Dann hat auch Alverskirchen eine Zukunft.

 

[1] Vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.10.2013, 10 D 4/11, Seite 21.
[2] Vgl. Schulten Stadt- und Raumentwicklung: Wohnungsbedarf in Alverskirchen, Januar 2018.
[3] Vgl. König, Armin: Demografischer Wandel – lokal gestalten. Ein Erfahrungsbericht, 2016, Seite 115.