Die natürliche Bevölkerung der Gemeinde Everswinkel wird sich bis zum Jahr 2040 um mehr als 200 Einwohner verringern. Das ist das Ergebnis der aktuellen Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes Nordrhein-Westfalen. [1] Auch eine eigens von der Verwaltung in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Fazit, dass Wanderungsverluste und Sterbeüberschüsse zu einem langfristigen Rückgang der Everswinkeler Bevölkerung führen. [2]
Vor diesem Hintergrund kann der Versuch der Gemeinde Everswinkel, die Notwendigkeit des Baugebietes „Bergkamp III“ mit zukünftig steigenden Einwohnerzahlen zu begründen, nur als schulbuchreifes Beispiel für eine Irreführung der Öffentlichkeit bezeichnet werden. Gleichzeitig wird deutlich, dass weder der Bürgermeister, noch die kommunalpolitischen Vertreter bereit sind, sich ernsthaft mit den Folgen des demografischen Wandels auseinanderzusetzen.
Spekulative Annahmen
Bereits in der vom 12. Februar bis 16. März 2020 durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung wurde in einer kritisch-konstruktiven Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die von Seiten der Gemeinde Everswinkel im Bauleitverfahren „Bergkamp III“ gemachten spekulativen Annahmen keineswegs den Begründungsanforderungen des Baugesetzbuches entsprechen. [3]
Im Rahmen der erneut durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung wird in einer weiteren Stellungnahme dezidiert verdeutlicht, dass mit der Ausweisung einer Siedlungsfläche im Plangebiet „Bergkamp III“ in eklatanter Weise die Ziele der Raumordnung missachtet werden und gegen einschlägige Bestimmungen des Baugesetzbuches verstoßen wird.
Ernüchterndes Fazit
Mit einem Zitat von Bertolt Brecht wird das ernüchternde Fazit der Stellungnahme eingeleitet:
„Unrecht gewinnt oft Rechtscharakter einfach dadurch,
dass es häufig vorkommt.“[4]
Diesem Motto scheint sich die Gemeinde Everswinkel bei der Bauleitplanung in besonderer Weise verpflichtet zu fühlen.
Mit der Bauleitplanung „Bergkamp III“ versucht die Gemeinde Everswinkel durch die Inanspruchnahme einer ca. 2,6 ha großen, im regionalplanerischen Freiraum liegenden Fläche, die gebotene Anpassung an die Ziele der Raumordnung zu unterlaufen.
Da die Bezirksregierung als übergeordnete Behörde ihre Rechtsaufsicht nur mangelhaft wahrnimmt, erweist sich der Versuch, mit Hilfe der Regionalplanung eine flächensparende Siedlungsentwicklung zu erreichen, als geradezu wirkungslos. Mit der Tolerierung der Verstöße gegen die Ziele der Raumordnung wird ein regelrechtes „Grundrecht auf Landverbrauch“ geschaffen, welches offenbar keiner besonderen Rechtfertigung bedarf.
Missachtung der Verfahrensvorschriften
So sieht sich die Gemeinde Everswinkel auch in keiner Weise veranlasst, der sich aus dem Baugesetzbuch ergebenden Begründungspflicht bei der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen als Siedlungsfläche nachzukommen. Mit der Weigerung, seriöse Bedarfsberechnungen vorzulegen und dem lediglich formelhaften Hinweis auf mangelnde Innenentwicklungspotenziale, verstößt die Gemeinde Everswinkel gegen die zwingende Verfahrensvorschrift des § 1a Absatz 2 BauGB, wonach zur Gewährleistung des „schonenden Umgangs mit Grund und Boden“ eine besondere Rechtfertigung der Bauleitplanung erforderlich ist.[5]
Naturzerstörerische Flächeninanspruchnahme
Die Inanspruchnahme des Baugebietes „Bergkamp III“ schlägt sich als Naturverbrauch nieder, zerstört den Lebensraum geschützter Tierarten, führt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität der Everswinkeler Bürger und verschärft die Umwelt- und Klimaproblematik.
Die Everswinkeler Kommunalpolitiker haben bei der Entscheidung über den Bebauungsplan Nr. 59 „Bergkamp III“ die Frage zu beantworten, welcher gesamtgesellschaftlicher „Mehrwert“ sich durch die naturzerstörerische Flächeninanspruchnahme ergibt und worin insbesondere der „Mehrwert“ für die Everswinkeler Bevölkerung besteht.
Für die Kommunalpolitiker besteht keine Verpflichtung, jeder noch so aberwitzigen Argumentation der Verwaltung zu folgen. Es besteht für sie vielmehr die Pflicht, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und insbesondere im Interesse der nachfolgenden Generationen, die dauerhafte Sicherung der Lebensqualität durch eine möglichst intakte Umwelt zu erhalten.
Eine Frage der Vernunft
Es ist keine Frage der politischen Zugehörigkeit, es ist also weder links noch rechts, mit der Ausweisung weiterer Siedlungsflächen auf der „grünen Wiese“ aufzuhören. Es ist schlicht und ergreifend eine Frage der Vernunft.
„Konservativ ist es, unsere Häuser und Städte zu bewahren,
sozial ist, teuren Neubau abzulehnen, ökologisch,
energieintensiven Neubau zu meiden, und liberal,
die Freiheit auch für Wenigverdiener und kommende
Generationen zu erhalten.“[6]
Link zur Stellungnahme im erneuten Verfahren der öffentlichen Auslegung:
Stellungnahme Bebauungsplan Nr. 59 „Bergkamp III“ vom 28. Juli 2020
[1] Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Modellrechnung zur natürlichen Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Everswinkel von 2018 bis 2040 (Analysevariante).
Modellrechnung zur natürlichen Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Everswinkel von 2018 bis 2040 (Analysevariante)
[2] Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (Hrsg.): Entwicklungstrends und -perspektiven im suburbanen Raum. Eine Untersuchung am Beispiel der Gemeinde Everswinkel, 2013.
[3] Anmerkung: Die Stellungnahme kann im Internet abgerufen werden unter:
Stellungnahme Bergkamp III (Öffentlichkeitsbeteiligung vom 12. Februar bis 16. März 2020)
[4] Brecht, Bertolt: Geschichten von Herrn Keuner, 1. Auflage 1971, Frankfurt, Seite 49.
[5] Vgl. § 1a Absatz 2 BauGB.
[6] Fuhrhop, Daniel: Verbietet das Bauen! Streitschrift gegen Spekulation, Abriss und Flächenfraß, Neuauflage
2020, Seite 180.