§ 13 b BauGB: Der Wolf im Schafspelz

Die der Bibel entlehnte Redewendung „Wolf im Schafspelz“ beschreibt den Versuch, schadenbringende Absichten durch ein harmloses Auftreten zu tarnen. Treffender als mit dieser Metapher kann die Einführung des § 13 b BauGB im Jahr 2017 wohl kaum beschrieben werden.

Die ursprüngliche Intention der 2017 durchgeführten Novellierung des Baugesetzbuches war es, die Wohnungsnot in Ballungsräumen durch Erleichterungen des Baurechts zu verringern. Vor dem Hintergrund des in einigen Städten vorhandenen Nachfragedrucks insbesondere nach preiswerten Wohnungen war dies sicherlich eine sinnvolle politische Zielsetzung.

Umweltstandards außer Kraft gesetzt

Allerdings wurden die ursprünglichen Bemühungen, den Wohnungsmangel in den städtisch geprägten Boomregionen durch eine Vereinfachung und Beschleunigung von Bebauungsplänen der Innenentwicklung zu lindern, in geradezu perfider Weise durch die Einfügung des § 13 b BauGB während der Beratungen des Gesetzespaketes im Bundesrat konterkariert.

Mit der Aufnahme des § 13 b in das Baugesetzbuch wurde auch für die Einbeziehung von Außenbereichsflächen eine Vereinfachung des Bauplanungsrechts eingeführt. Gegen das Votum vieler Fachleute wurde für die Ausweisung von Baugebieten am Ortsrand bis zu einer Größe von vier Hektar ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren ohne Pflicht zur Umweltprüfung und ohne Verpflichtung einen Eingriffsausgleich durchzuführen, ermöglicht.[1]

Klientelpolitik auf Kosten der Natur

Obwohl in der Bundesrepublik kein flächendeckender Wohnraummangel besteht, wurde im Gesetzgebungsverfahren 2017 die Gunst der Stunde genutzt und die Klientel der Bürgermeister von kleinen Ortschaften, in denen traditionell die CSU (Bayern) bzw. CDU (z. B. im Münsterland) besonders stark verwurzelt ist, bedient. Bürgermeistern und Kommunalpolitikern kleiner Kommunen ist es häufig zu mühsam, Innenentwicklung zu betreiben. Viel einfacher ist es da auf der „grünen Wiese“ neue Baugebiete auszuweisen, zumal dadurch zumindest kurzfristig finanzielle Mittel durch das Abschöpfen von Bodenwertsteigerungen generiert werden können.

Die Schaffung eines erleichterten Bauplanungsrechts zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen auch in strukturschwachen Regionen und für ländliche Räume, in denen bereits heute zum Teil in erheblichem Maße ein Überangebot an Wohnraum besteht, entbehrt jeder sachlichen Logik.

Betonparagraf konterkariert Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie

Der § 13 b BauGB trägt dazu bei, dass in vielen Bundesländern die in den letzten Jahren sinkende Tendenz des Bodenverbrauchs wieder zu steigen beginnt. Er heizt den Flächenverbrauch an, führt zur Vernachlässigung der Entwicklung innerörtlicher Bauflächen und setzt Fehlanreize zu Lasten der Natur. In der Zeit seines 2-jährigen Bestehens hat er sich zu Recht Beinamen wie „Turbo, Zersiedlungs- oder Betonparagraph“ eingehandelt. Er steht im krassen Widerspruch zur deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, zum Klimaschutzplan 2050 und Koalitionsvertrag der Bundesregierung sowie den Flächensparzielen der EU.[2]

Einfamilienhausgebiete statt Bekämpfung der Wohnungsnot

Eine Reihe von Untersuchungen belegen, dass der Paragraf kaum zur Schaffung günstigen Wohnraums in Ballungsgebieten beiträgt, wo die Wohnungsnot am größten ist. Stattdessen wird er in zwei Dritteln der Fälle im ländlichen Raum angewendet. Vor allem in Kleingemeinden (<5.000 Einwohner) entstehen seit 2017 hunderte Neubaugebiete auf der grünen Wiese – größtenteils für Einfamilienhäuser.[3]

Wesentliches Motiv vieler Gemeinden für die Aufstellung von Bebauungsplänen nach § 13 b BauGB ist es, ohne Umweltprüfung und den Verzicht auf jegliche ökologische Ausgleichsmaßnahmen verschwenderische Baugebiete für wohlsituierte Bevölkerungsschichten auszuweisen. Ein besonderer Nachfragedruck zur Deckung dringend benötigten Wohnraums besteht hier in der Regel nicht.

Mitnahmeeffekt par excellence

Die Aufstellung des Bebauungsplans „Königskamp III“ im Ortsteil Alverskirchen der Gemeinde Everswinkel zeigt, dass es häufig bei der Anwendung des § 13 b BauGB ausschließlich um die Nutzung von Mitnahmeeffekten zu Lasten der Umwelt geht.

Bereits vor einigen Jahren hatte die Gemeinde entschieden, entgegen den raumordnerischen Zielsetzungen ein überdimensioniertes Baugebiet auszuweisen, um den Folgen des demografischen Wandels durch das Anlocken von jungen Familien aus den Nachbarkommunen zu begegnen. Die Ausweisung des nächsten Bauabschnitts, war trotz rückläufiger Bevölkerung und eines kontinuierlich steigenden Überhangs an Wohneinheiten, eine seit langem vom Bürgermeister und der Mehrheit der örtlichen Kommunalpolitiker offensiv vertretene Forderung. Die Chance, bei einem Baugebiet, dass auf jeden Fall durchgesetzt worden wäre, Kosten durch den Verzicht auf einen Ökoausgleich zu sparen, wurde selbstverständlich durch die Inanspruchnahme des § 13 b BauGB genutzt.

Die Mehrheit des Everswinkeler Gemeinderates hat hier durch den Verzicht auf den bei Eingriffen in die Landschaft notwendigen Ökoausgleich eine bewusste Entscheidung zulasten der Natur getroffen. Der nahezu zeitgleich an die Bürger gerichtete Appell, doch bitte Nistkästen aufzuhängen und Blühstreifen anzulegen, ist an Verlogenheit in Sachen Naturschutz wohl kaum zu überbieten.

Missachtung eigener Gesetze durch Verlängerung des § 13b BauGB

Der planungsrechtlich widersinnige, sowie naturschutz- und umweltpolitisch unvertretbare § 13 b BauGB ist zwar durch Ablauf der Befristung zum 31.12.2019 ausgelaufen, er soll aber  auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen für einen weiteren Zeitraum von drei Jahren verlängert werden. Das vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten propagierte Ziel „Ökonomie vor Ökologie“ soll damit konsequent weiter verfolgt werden.

Mit der Fortführung des § 13 b BauGB würde das siedlungspolitische Credo „Innen- vor Außenentwicklung“ weiterhin ad absurdum geführt. Der im Baugesetzbuch verankerte Grundsatz des „schonenden Umgangs mit Grund und Boden“ und die Forderung durch Nachverdichtungen und andere Maßnahmen der Innenentwicklung, die Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, würden erneut unterlaufen.

Sofortige Abschaffung der erleichterten Bedingungen zum Ausverkauf der Natur

Die Wohnungsnot in Ballungsräumen darf nicht länger missbraucht werden, um Einfamilienhausgebiete auf dem Land noch schneller als bisher auf Kosten der Natur realisieren zu können. Der kommunale Wettlauf um zusätzliche Flächenangebote im Freiraum, der im Widerspruch zu dem bundesgesetzlichen Grundsatz zur Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme steht, muss endlich beendet werden. Ein erster Beitrag dazu stellt die endgültige Abschaffung des §13b BauGB dar.

Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe“, heißt es in Anlehnung an die eingangs verwendete Metapher in einer weiteren Forderung aus dem Neuen Testament.

Anmerkung:
Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg hat eine Petition gegen die Fortführung des § 13 b BauGB gestartet. Bitte unterzeichnen und weiterverbreiten.

Link zur Petition: Stoppt den Beton-Paragraph 13b Baugesetzbuch!

 

[1] Vgl. gemeinsame Stellungnahme der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung  und des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten vom 25. Januar 2017. Im Internet: https://www.srl.de/dateien/dokumente/de/Stellungnahme_BauGB2017_SRL_bdla.pdf
[2] Vgl. Mitteilung des NABU vom 03. Dezember 2019: Flächenschutz statt Flächenfraß. Im Internet: https://blogs.nabu.de/flaechenschutz-statt-flaechenfrass/
[3] Vgl. Bundesverband beruflicher Naturschutz: Positionspapier zur Abschaffung des § 13 b BauGB. Im Internet: https://www.bund-konstanz.de/fileadmin/ogkonstanz/Pixabay/Positionspapier_BBN_zu_13b_BauGB.pdf