Bergkamp III: Kommunale Einnahmequelle oder finanzielles Desaster?

Wie zahlreiche andere ländliche Gemeinden im Münsterland, ist auch die Gemeinde Everswinkel nach wie vor der Ansicht, durch einen Wettbewerb um Einwohner der demografischen Entwicklung begegnen zu können. Mit der Ausweisung immer neuer Siedlungsflächen am Ortsrand sollen insbesondere junge Familien aus den Nachbarorten angelockt werden, um damit dem drohenden Bevölkerungsrückgang entgegenzuwirken.

Zugleich glauben der Bürgermeister und die Mehrheit der Kommunalpolitiker durch den Verkauf von möglichst zahlreichen neu erschlossenen Einfamilienhausgrundstücken einen „Profit“ für den kommunalen Haushalt erzielen zu können. Überspitzt formuliert hofft die Gemeinde Everswinkel durch den „Ausverkauf“ der Natur das kommunale Haushaltsdefizit zu verringern.

Ungeprüfte Annahmen als Entscheidungsgrundlage

Auch bei der Entscheidung für das Baugebiet „Bergkamp III“ wurde die Annahme, die Erschließung neuer Siedlungsflächen seien für die Bevölkerungsentwicklung und für den Haushalt der Gemeinde Everswinkel positiv zu bewerten, von den Kommunalpolitikern ungeprüft übernommen.

Das ist fatal, da zahlreiche Studien zeigen, dass die Ausweisung immer neuer Baugebiete weder den sich abzeichnenden Bevölkerungsrückgang aufhält[1], noch eine zusätzliche Einnahmequelle für die Gemeinden darstellt.[2]

Die Zustimmung zum Bebauungsplan „Bergkamp III“ durch die Mehrheit der Kommunalpolitiker erfolgte, ohne dass die Verwaltung auch nur in Ansätzen Hinweise auf die erwartete demografische Entwicklung gegeben, noch eine Kalkulation der Folgekosten und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen für den Gemeindehaushalt offengelegt hat.

Bisher angenommene Kosten „nicht auskömmlich“

Lediglich im Rahmen der Beratungen für den Haushalt 2021 wurden der Öffentlichkeit einige dürftige Hinweise zu den mittelfristigen Ein- und Ausgaben im Rahmen des Baugebietes Bergkamp III präsentiert. Die Gegenüberstellung der von der Verwaltung für den Planungszeitraum 2021 bis 2024 vorgesehenen Investitionseinzahlungen und Investitionsauszahlungen führt zu einem Finanzierungsdefizit in Höhe von 4.525.000 €.[3]

Obwohl die Intransparenz der sich aus dem „Bergkamp III“ ergebenden Investitionsentscheidungen einen eklatanten Verstoß gegen das kommunale Haushaltrecht darstellt[4], wurde dem Millionendefizit im Everswinkeler Gemeinderat mehrheitlich zugestimmt.

In der Sitzung des Gemeinderates am 16. Juni 2021 wurde darüber hinaus die „überplanmäßige Bereitstellung von 1.000.000 €“ für die Erschließung des Bergkamp III von den Kommunalpolitikern zur Kenntnis genommen, da der bisher von der Verwaltung im Haushalt angesetzte Betrag „nicht auskömmlich ist“ [5]

Selbstverständlich präsentieren der Bürgermeister und die Kämmerin der Gemeinde Everswinkel „plausible“ Erklärungen für die Kostensteigerung, die den bisherigen Haushaltsansatz weit überschreitet. Es seien „Anpassungen insbesondere für die Querungshilfen an der Sendenhorster Straße incl. Bushaltestelle, den Feuerlöschtank und Versorgungsgraben erforderlich“ gewesen.[6]

Weshalb diese Anpassungen nachträglich erforderlich waren, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Erklärung, die Preise seien aufgrund der angespannten Lage in der Baubranche zur Überraschung der Verwaltung allgemein gestiegen.

Entweder der Bürgermeister und die Kämmerin der Gemeinde Everswinkel sind mit der verantwortungsvollen Ermittlung der finanziellen Auswirkungen für das Baugebiet „Bergkamp III“ überfordert oder sie haben möglicherweise im Haushalt bewusst zunächst einen zu niedrigen Kostenansatz gewählt.

Vertrauensvolles „Abnicken“

Für den interessierten Bürger wird es sicherlich keine Überraschung sein, wenn zukünftig weitere „alternativlose“ Ausgaben im Zusammenhang mit dem Baugebiet „Bergkamp III“ präsentiert werden, die dann ebenfalls ganz selbstverständlich von der Mehrzahl der Gemeinderatsmitglieder verständnisvoll „abgenickt“ werden.

Statt Entscheidungen auf ihre Sinnhaftigkeit zu hinterfragen und ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sehen zahlreiche Mitglieder des Everswinkeler Gemeinderates ihre Aufgabe offenbar häufig darin, der Verwaltung schlicht und ergreifend zu vertrauen. Der Umgang mit dem Baugebiet „Bergkamp III“ verdeutlicht dies in eklatanter Weise.

So wurde in der Sitzung des Gemeinderates am 16. Juni 2021 dem Vorschlag des Bürgermeisters, beim Tagesordnungspunkt „Erwerb von Grundstücken aus dem Umlegungsverfahren Bergkamp III durch die Gemeinde Everswinkel“ die Öffentlichkeit von der Beratung auszuschließen, mehrheitlich zugestimmt, obwohl dieser Tagesordnungspunkt nach den Bestimmungen der Nordrhein-Westfälischen Gemeindeordnung öffentlich zu erörtern war.[7]

Verstöße gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit stellen wesentliche Verfahrensfehler dar, die die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlusses zur Folge haben.[8] Trotzdem beharrten die Verwaltung und die Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder darauf, den Tagesordnungspunkt hinter verschlossenen Türen geheim und damit intransparent zu behandeln.

Die „Geheimniskrämerei“ des Bürgermeisters und der Kämmerin legt die Vermutung nahe, dass durch den Erwerb von Grundstücken durch die Gemeinde Everswinkel im Baugebiet „Bergkamp III“ weitere bisher im kommunalen Haushalt unberücksichtigte finanzielle Belastungen auflaufen.

Gemeindehaushalt entlasten und Lebensqualität der Bürger verbessern

Zu dem sich offenbar stetig vergrößernden finanziellen Desaster ergeben sich durch die Realisierung des Baugebietes „Bergkamp III“ erhebliche negative Auswirkungen im Hinblick auf die Natur und die Umwelt sowie die damit einhergehende Beeinträchtigung der Lebensqualität der Everswinkeler Bevölkerung.

Es bleibt zu hoffen, dass die Verwaltung und die Kommunalpolitiker der Gemeinde Everswinkel aus den Fehlern der Vergangenheit endlich die Konsequenzen ziehen und sich von dem bisher betriebenen ruinösen Wettbewerb um Einwohner durch die Ausweisung immer neuer Baugebiete auf der „grünen Wiese“ verabschieden.

Vor dem Hintergrund einer stagnierenden bzw. künftig schrumpfenden Bevölkerung[9] bedeutet die Ausweisung jeder weiteren Siedlungsfläche am Ortsrand ein Aufblähen der Folgekosten und damit sowohl eine jahrzehntelange Belastung für den kommunalen Haushalt als auch eine stetig steigende Erhöhung der von den Bürgern zu tragenden Steuern, Gebühren und Abgaben.

Notwendig ist ein Paradigmenwechsel von einer wachstumsorientierten Planung hin zu einer bestandserhaltenden und auf die Innenentwicklung fokussierten Planung  nach der Devise „Qualität statt Quantität“.

 

Vertiefende Informationen zum Thema „Bergkamp III“ finden sich im Glossar unter folgendem Link: Bergkamp III

 

[1] Anmerkung: Allein im Kreis Warendorf wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2040 voraussichtlich um 13.000 Einwohner schrumpfen. Vgl. insbesondere den Beitrag „Mehr Einfamilienhäuser für immer weniger Familien“
[2] Anmerkung: Zum Einstieg in die Thematik der finanziellen Folgewirkungen eines Baugebietes siehe beispielhaft den Artikel „Lohnt sich der Kampf um junge Familien?“, abrufbar unter: http://www.landleben-nahe.de/index_htm_files/folgekostenSiedlungsentwicklung_Nabu.pdf
[3] Siehe hierzu vertiefend den Beitrag „Kommunalpolitiker als Lottofee“
[4] Siehe hierzu vertiefend die „Kommunalaufsichtsbeschwerde gegen die Haushaltssatzung 2021 und die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung für den Zeitraum 2022 bis 2024 der Gemeinde Everswinkel“, hier Seite 10 „Das Baugebiet Bergkamp III als Vabanquespiel“.
[5] Vorlage 057/2021 der Gemeinde Everswinkel zu Sitzung des Gemeinderates am 16. Juni 2021.
[6] Ebenda.
[7] Anmerkung: Die Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragten, den Tagesordnungspunkt in öffentlicher Sitzung zu behandeln. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, siehe hierzu vertiefend „Antrag auf Änderung der Tagesordnung in der Sitzung des Gemeinderates am 16. Juni 2021“, abrufbar unter: https://gruene-everswinkel.de/userspace/NW/ov_everswinkel/Dokumente/Antrag_auf_AEnderung_der_Tagesordnung_Gemeinderatssitzung_vom_16.06.2021.pdf
[8] Ebenda.
[9] Zur Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Everswinkel siehe den Beitrag „Everswinkel in der Demografiefalle“.