Offensichtlich als „Lottofee“ sehen sich der Bürgermeister und die Mehrheit der Kommunalpolitiker in Everswinkel. Mit dem Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 59 „Bergkamp III“ erfährt das 6,2 ha große Plangebiet eine atemberaubende Werterhöhung. Durch die Umwandlung einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche mit einem Bodenrichtwert von 9,50 € je Quadratmeter[1] ergibt sich eine Bodenwertsteigerung in Millionenhöhe. Geht es nach dem Willen der Kommunalpolitiker, zahlt die Gemeinde Everswinkel für die Übernahme einer Teilfläche rund 5.000.000 € an die bisherigen Eigentümer.[2]
Ein beträchtlicher Teil des zukünftigen Baulands bleibt weiterhin Privateigentum und steht zur freien Verfügung. Es ist dem Gutdünken des Grundbesitzers überlassen, ob er die bauliche Nutzung unternimmt bzw. zulässt oder das Grundstück „hortet“ und auf weiter steigende Grundstückspreise spekuliert. Die bisher schon recht beträchtliche Rendite ließe sich auf diese Weise ohne weiteres Zutun noch weiter steigern.
Gewinn für wenige – Verlust für viele
Was sich für wenige Grundstückseigentümer als Glücksfall entpuppt, stellt sich aus Sicht der Everswinkeler Bürger ganz offensichtlich als folgenreiches Verlustgeschäft dar. Sie dürfen die Naturzerstörung in Kauf nehmen, die sich infolge der Bebauung der Fläche ergibt, haben eine Verschlechterung der Lebensqualität durch ein höheres Verkehrsaufkommen und der damit einhergehenden erhöhten Lärmbelastung zu akzeptieren und dürfen sich auch noch an der Finanzierung der exorbitanten Bodenwertsteigerung beteiligen, von der nur einige wenige profitieren.
Nach den in den Haushaltsplan 2021 eingestellten Zahlen entpuppt sich das „Baugebiet Bergkamp III“ als folgenschwere Belastung für die kommunalen Finanzen der Gemeinde Everswinkel und führt letztlich zu einem weiteren Verzehr des kommunalen Eigenkapitals.[3] Die weitere Verringerung des Eigenkapitals durch die „Subventionierung“ von Baugrundstücken, um damit aus den Nachbarkommunen insbesondere junge Familien anzulocken, bedeutet nichts anderes als einen Substanzverlust des gemeindlichen Vermögens.
Die Ausdehnung der Siedlungsfläche als Kostentreiber
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Einwohnerzahl und die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Everswinkel kontinuierlich auseinander entwickelt. Die Bevölkerungszunahme fiel deutlich geringer aus als das Flächenwachstum. Aktuell stehen rückläufige Einwohnerzahlen einer weiteren Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsfläche gegenüber.[4]
Mit der Schaffung neuer Wohngebiete am Ortsrand erfolgte in Everswinkel ein Ausbau der technischen und sozialen Infrastruktur mit einer erheblichen Steigerung der Folgekosten für den kommunalen Haushalt.
Ein Blick in die Statistik bestätigt, dass in der Vergangenheit die Ausdehnung der Siedlungsfläche in einem krassen Missverhältnis zur Bevölkerungsentwicklung stand. Allein von 2004 bis 2019 entstanden rund 900 neue Wohnungen, während die Zahl der Einwohner tendenziell rückläufig war und es lediglich durch die Zuweisung von mehr als 200 Flüchtlingen gerade einmal zu einem Bevölkerungsanstieg von 125 Personen kam.[5]
Durch die Ausweisung weiterer Siedlungsflächen für vorwiegend Einfamilienhäuser glaubt die Gemeinde Everswinkel weiterhin den Wettbewerb um einkommensstarke Einwohner, an dem sich auch alle umliegenden Kommunen beteiligen, gewinnen zu können.
Die Folgen für den gemeindlichen Haushalt liegen auf der Hand: Statt Konsolidierung, die mehr als überfällig ist, werden zunächst die Investitionsauszahlungen weiter in die Höhe getrieben und unausweichlich die nachfolgenden Haushalte jahrzehntelang mit drastisch weiter gestiegenen Infrastrukturfolgekosten belastet.
Das Baugebiet „Bergkamp III“ im Haushalt der Gemeinde Everswinkel
Die Gemeinde Everswinkel wird „auch zukünftig die Ausweisung von Neubaugebieten sowohl in Alverskirchen als auch in Everswinkel anstreben.“[6] Mit dieser Aussage im Vorbericht zum Haushalt der Gemeinde Everswinkel für das Haushaltsjahr 2021 teilt der Bürgermeister mehr oder weniger ungeniert mit, dass wir weiter machen wie bisher. Die unübersehbaren Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre werden ignoriert und die Politik des „Nach-uns-die-Sintflut-Haushalts“ wird fortgesetzt.
Die unvermeidbaren finanziellen Folgen durch die Ausweisung des Baugebiets „Bergkamp III“ werden den desaströsen Haushalt noch weiter belasten und die Gemeinde bei der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe stark einschränken. Ein Abschied von zahlreichen bisher von der Gemeinde für die Bürger freiwillig erbrachten Leistungen ist dann unvermeidlich.
Allein der Vergleich der für den Planungszeitraum 2021 bis 2024 für „Bergkamp III“ vorgesehenen Investitionseinzahlungen und Investitionsauszahlungen führt zu einem Finanzierungsdefizit in Höhe von 4.525.000 €.
Verstoß gegen geltendes Haushaltsrecht
Im Rahmen der Daseinsfürsorge ist es u. a Aufgabe der Kommunen, sich an der Realisierung bezahlbaren Wohnraums zu beteiligen. Es ist aber ganz sicher nicht die Aufgabe der Gemeinde Everswinkel einkommensstarken Nachfragern subventionierte Einfamilienhausgrundstücke zur Verfügung zu stellen.
Nach der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Gemeinde das Wohl ihrer Einwohner zu fördern und in Verantwortung für die zukünftigen Generationen zu handeln. Um die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde zum Wohle ihrer Einwohner zu gewährleisten, sind im Rahmen der Haushaltsplanung die allgemein anerkannten Haushaltsgrundsätze der „Sparsamkeit“ und „Wirtschaftlichkeit“ zu beachten. Bei der Haushaltsplanung der Gemeinde Everswinkel sind Zweifel an der Berücksichtigung dieser elementaren Haushaltsgrundsätze mehr als angebracht.[7]
Stellungnahme zum Haushalt der Gemeinde Everswinkel 2021
[1] Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Warendorf: Grundstücksmarktbericht für den Kreis
Warendorf 2020, Seite 44.
[2] Gemeinde Everswinkel: Haushaltplan 2021, Seite 47.
[3] Vgl. Stellungnahme zum Haushalt 2021, Link siehe oben.
[4] Bevölkerung am 31.12.2019 = 9.765.
Bevölkerung am 09.10.2020 = 9.726.
Zur Bevölkerungsentwicklung siehe z. B.: Everswinkel in der Demografiefalle. Abrufbar unter: https://alfred-wolk.de/?s=Everswinkel+in+der+
[5] Bevölkerung am 31.12.2004 = 9.640Bevölkerung am 31.12.2019 = 9.765, Wohnungsbestand am 31.12.2004
= 3.503, Wohnungsbestand am 31.12.2019 = 4.396.
[6] Gemeinde Everswinkel: Haushaltplan 2021, Seite 7.
[7] Vgl. Stellungnahme zum Haushalt 2021, Link siehe oben.