Rechtsbruch als „Gewohnheitsrecht“

„Unrecht gewinnt oft Rechtscharakter einfach dadurch, dass es häufig vorkommt.“[1] Diesem Zitat von Bertolt Brecht scheint sich die Gemeinde Everswinkel bei der Bauleitplanung in besonderer Weise verpflichtet zu fühlen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Gemeinde Everwinkel immer wieder Baugebiete ausgewiesen, ohne die Ziele der Raumordnung zu beachten. In klassischer „Pippi-Langstrumpf-Politik“ wurden nach dem Motto „ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ z. B. bei der Aufstellung der Bebauungspläne „Ernst-Tertilt-Straße“, „Am Vinckenholz“, „Große Kamp“ und „Königskamp“ die Ziele der Raumordnung unterlaufen.

Ohne Rechtsbruch keine Baugebiete  – ein Rechtfertigungsversuch

Wenn es um die Umwandlung bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen in Bauland geht, lesen Verwaltung und Gemeinderat das Gesetz offenbar wie der Ministerpräsident des Landes-Nordrhein-Westfalen: „Er liest das Recht wie ein Gast im Wirtshaus das Menü – à la carte.“[2]

Mit einer hemmungslosen Flexibilität wurden die dem Schutz der Natur und der Allgemeinheit dienenden raumordnerischen Bestimmungen immer wieder konterkariert. Die quasi zum „Gewohnheitsrecht“ avancierten Rechtsverstöße begründete der ehemalige Vorsitzende des Ausschusses für Planung und Umweltschutz anlässlich des OVG-Urteils zum rechtswidrigen Bebauungsplan „Königskamp“ mit dem lapidaren Satz: „Das waren wir den Bürgern schuldig. Sonst wären die Baugebiete „Vinkenholz“, „Große Kamp“ und weitere in Alverskirchen nicht entstanden.“[3]

„Ohne Rechtsbruch keine Baugebiete“  – ein untauglicher Versuch der nachträglichen Rechtfertigung, der gelinde formuliert, mehr als befremdlich klingt.

Berufung auf das „Recht des Stärkeren“

Was lernen insbesondere junge Menschen in Everswinkel, wenn die sogenannten „kommunalpolitischen Vorbilder“ ganz selbstverständlich allgemeingültige Regeln außer Kraft setzten und glauben, rechtliche Bestimmungen beliebig für politisch aufblasbare Zwecke deuten zu können? Was lernen junge Menschen von Kommunalpolitikern, die sich auf das primitive Recht des Stärkeren berufen („Wir haben die Mehrheit“) und durch das unreflektierte Abnicken noch so aberwitziger Argumente der Verwaltung das rechtswidrige Verhalten fortsetzen?

Fortsetzung mit „Bergkamp III“

Im aktuellen Bauleitverfahren „Bergkamp III“ reichte für die Kommunalpolitiker der Hinweis der Verwaltung, die weitere Zerstörung der Natur durch Inanspruchnahme einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche am Ortsrand sei für die Zukunft Everswinkels „alternativlos“, um sich wiederholt am Unterlaufen der Ziele der Raumordnung zu beteiligen.

Mit der Ausweisung des Baugebietes „Bergkamp III“ verstößt die Gemeinde erneut gegen die Ziele der Raumordnung, da ein beträchtlicher Teil des Plangebietes eindeutig im regionalplanerischen Freiraum liegt. In der Raumplanung bedeutet „Freiraum“, dass diese Fläche nicht als Siedlungsfläche in Anspruch genommen werden darf. Sie soll von Bebauung „frei“ bleiben.

Durch die strikte Weigerung der Gemeinde, anhand seriöser Bedarfsberechnungen die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen zu belegen, verstößt sie darüber hinaus auch in eklatanter Weise gegen eindeutige Bestimmungen des Baugesetzbuches. Der Hinweis, die Bezirksregierung habe keine Einwände erhoben, ist nichts anderes als der hilflose Versuch, sich eine Absolution für die Missachtung einschlägiger planungsrechtlicher Bestimmungen erteilen zu lassen. Auch im Fall „Königskamp“ lag seinerzeit die Zustimmung der Bezirksregierung vor. Die Verantwortung für die Gewährleistung einer rechtskonformen Bauleitplanung liegt letztendlich bei der Gemeinde Everswinkel.

Entscheidung für die Verschlechterung der Lebensqualität

Losgelöst von der Frage der Rechtskonformität schlägt sich das Baugebiet „Bergkamp III“ als Naturverbrauch nieder, zerstört den Lebensraum geschützter Tierarten, führt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität der Everswinkeler Bürger und verschärft die Umwelt- und Klimaproblematik.

Die Kommunalpolitiker haben bei der Entscheidung über den Bebauungsplan „Bergkamp III“ nicht nur die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Sie haben auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer weiteren naturzerstörerischen Flächeninanspruchnahme zu beantworten.

Für die Kommunalpolitiker besteht keine Verpflichtung, jeder noch so aberwitzigen Argumentation der Verwaltung zu folgen. Es besteht für sie vielmehr die Pflicht, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und insbesondere im Interesse der nachfolgenden Generationen, die dauerhafte Sicherung der Lebensqualität durch eine möglichst intakte Umwelt zu erhalten.

 

Anmerkung: Ausführliche Informationen zum „Bergkamp III“ können über die nachfolgenden beiden Links aufgerufen werden:

Stellungnahme vom 28. Juli 2020
Stellungnahme vom 08. März 2020

 

[1] Brecht, Bertolt: Geschichten von Herrn Keuner, 1. Auflage 1971, Frankfurt, Seite 49.
[2] Süddeutsche Zeitung vom 22. August 2018: Ein Ministerpräsident als Rechtsausleger.
[3] Westfälische Nachrichten vom 13. Februar 2014: Baugebiet Königskamp: CDU-Vorstand kritisiert SPD-Vergangenheitsbewältigung. Lösungsschritte statt Blick zurück.