Bezirksregierung Münster zum OVG-Urteil „Königskamp“

Zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2013, mit dem der Bebauungsplan Nr. 52 „Königskamp“ der Gemeinde Everswinkel im Eigenentwicklungsortsteil Alverskirchen aufgehoben wurde, veröffentlichte die Bezirksregierung Münster ein Interview mit dem Leiter der Regionalplanung, Gregor Lange. Ganz offensichtlich sollen die Aussagen des Regionalplaners von dem Versagen der Bezirksregierung als „Hüterin der Regionalplanung“ ablenken.

Das Interview wurde in leicht modifizierter Form am 09. November in der Tageszeitung „Die Glocke“ und am 12. November in den „Westfälischen Nachrichten“ verbreitet.

Königskamp ist kein Sonder- oder Präzedenzfall

„Die Maßgaben für Ortsteile unter 2.000 Einwohner sind nicht neu. Sie finden sich nicht nur im seit 1999 gültigen Regionalplan wieder, sondern auch im aktuellen Landesentwicklungsplan von 1995 … Das Urteil des OVG setzt daher keine neuen Maßstäbe … Das OVG hat lediglich die Beachtung der bestehenden Ziele der Raumordnung eingefordert. Aus diesem Grund ist die Entscheidung des OVG zu dem Baugebiet Königskamp weder ein Sonder- noch ein Präzedenzfall.[1] 

Ziel: Bildung von Siedlungsschwerpunkten

„Sinn und Zweck dieser raumordnerischen Regelung für Ortsteile unter 2.000 Einwohner ist, vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung eine Konzentration der Siedlungsentwicklung auf die jeweiligen Siedlungsschwerpunkte einer Kommune zu erreichen.[2] Dadurch sollen langfristig die Flächeninanspruchnahme verringert und Infrastrukturfolgekosten begrenzt werden.“[3] 

„Es geht grundsätzlich darum, dass die Siedlungsentwicklung im Gesamtinteresse der Kommune gesteuert wird … Angesichts des demografischen Wandels und Bevölkerungsrückgangs ist es wichtig, dass Kommunen ihr Zentrum nicht schädigen, sondern sich auf die Entwicklung der Zentren konzentrieren.“[4] 

Entwicklungsmöglichkeiten kleiner Ortschaften nicht ausgeschlossen

„Aus dem Urteil kann keinesfalls abgeleitet werden, dass eine Entwicklung von Ortschaften, die weniger als 2.000 Einwohner haben, grundsätzlich ausgeschlossen ist. Eine solche Interpretation ist verfehlt, denn eine Siedlungsentwicklung ist auch nach den Zielen der Raumordnung möglich, soweit sie eben auf den Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung ausgerichtet ist. … Diese Einschätzung wird auch von dem OVG geteilt und explizit in der Urteilsbegründung formuliert: Selbst die städtebauliche Entwicklung des Ortsteils Alverskirchen ist grundsätzlich möglich. Räumliche Entwicklungen zur Deckung des ansässigen Bedarfs kommen in Betracht, sofern er besteht.“[5] 

Genehmigung der Planungen durch die Bezirksregierung

„Die Bezirksregierung hat den für den Bebauungsplan „Königskamp“ zugrundeliegenden Flächennutzungsplan der Gemeinde Everswinkel zwar genehmigt. Dies erfolgte allerdings auf der Grundlage, dass die einschlägigen Anforderungen des Regionalplans von der Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans erfüllt werden, also der Bedarf für die ortsansässige Bevölkerung im weiteren Verfahren nachgewiesen wird. Da Bebauungspläne, die aus einem gültigen Flächennutzungsplan entwickelt werden, nicht mehr zur Genehmigung der Höheren Verwaltungsbehörde vorgelegt werden müssen, musste die Bezirksregierung am weiteren Bauleitverfahren der Gemeinde Everswinkel nicht mehr beteiligt werden.“[6] 

Eklatantes Versagen der Bezirksregierung als „Hüterin des Regionalplans“

Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die Bezirksregierung Münster zu keinem Zeitpunkt im Rahmen der 30. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Everswinkel den Nachweis des Bedarfs der ortsansässigen Bevölkerung eingefordert hat. Die Genehmigung zur Änderung des Flächennutzungsplans, um in Eigenentwicklungsortsteilen bisher landwirtschaftlich genutzte Fläche als zusätzliche Wohnbaufläche in Anspruch nehmen zu können, setzt aber gerade einen solchen Nachweis voraus. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bereits ausdrücklich in einem Urteil aus dem Jahre 2006 festgestellt.[7]

Nach § 6 BauGB ist es Aufgabe der Bezirksregierung, im Rahmen der präventiven Rechtsaufsicht zu überprüfen, ob die beantragten Flächennutzungsplanänderungen im Einklang stehen mit den Zielen der Raumordnung. Die Bezirksregierung hat dementsprechend im Genehmigungsverfahren nicht nur einen Bedarfsnachweis einzufordern, sondern diesen auch einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Nur wenn ein plausibler Bedarfsnachweis erbracht wird, kann die beantragte Genehmigung zur Flächennutzungsplanänderung erteilt werden.

Solange die Bezirksregierung Münster nicht bereit ist, der ihr vom Gesetzgeber übertragen Aufgabe als „Hüterin des Regionalplans“ gerecht zu werden, bleiben die vielzitierten „Vollzugsdefizite“ bestehen. Die im Regionalplan im Interesse der Allgemeinheit formulierten Ziele können dann nicht erreicht werden. Der Regionalplan bleibt dann ein „stumpfes Schwert“.

 

Anmerkung:
Zur Kritik am Verhalten der Bezirksregierung siehe
Schreiben an die Bezirksregierung vom 12. Juni 2015, Seite 12 bis 21
Glossar Stichwort: Bezirksregierung Münster
Glossar Stichwort: „Vollzugsdefizit“

 

[1] Tageszeitung „Die Glocke“ vom 09. November 2013: „Königskamp ist kein Sonder- oder Präzedenzfall“.
[2] Anmerkung: Siedlungsschwerpunkt der politischen Gemeinde Everswinkel ist lt. Regionalplan der Ortsteil Everswinkel. Der Ortsteil Alverskirchen ist im Regionalplan dagegen als Freifläche gekennzeichnet.
[3] Pressemitteilung der Bezirksregierung Münster vom 8. November 2013: Auswirkungen des OVG-Urteils zum Bebauungsplan „Köngiskamp“.
[4] „Westfälische Nachrichten vom 12. November 2013: „Keine restriktive Auslegung“.
[5] Pressemitteilung der Bezirksregierung …
[6] Ebenda.
[7] Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. Dezember 2006, 7 A 1862/06.