„Bauen, Bauen, Bauen“

Ein Blick auf die Wahlplakate anlässlich der bevorstehenden Kommunalwahl zeigt, auch in Everswinkel setzen Politiker und Parteien weiter auf die zerstörerische Magie des Wachstums.

Hilflosigkeit durch Nichtwissen

Mit der Devise „Bauen, Bauen, Bauen“ wird eine Wachstumsrhetorik nachgeplappert, mit der den Bürgern überholte Konzepte der Vergangenheit zur Lösung zukünftiger Problem angeboten werden. Das Fortschreiben von Strategien, die nachweislich nicht zukunftsfähig sind, bestätigt erneut die Hilflosigkeit vieler Bürgermeister und Kommunalpolitiker im Umgang mit den auch im Münsterland immer deutlicher zu Tage tretenden Folgen des demografischen Wandels.

 

Nach wie vor glauben zahlreiche Kommunalpolitiker von ihrem Recht auf Nichtwissen in Sachen demografischer Entwicklung in extensiver Weise Gebrauch machen zu können. Ein Blick auf die Zahlen der letzten Jahre zeigt, dass es längst fünf nach Zwölf ist.

Geringe Geburtenraten, steigende Sterbefallzahlen, weniger Zuzüge und mehr Fortzüge bestätigen den längst auch in Everwinkel eingetretenen demografischen Wandel. Einzige Antwort auf den seit 15 Jahren erkennbaren rückläufigen Bevölkerungstrend, der lediglich durch die Zuweisung von über 250 Flüchtlingen überlagert wird, ist die Ausweisung immer neuer Baugebiete am Ortsrand.[1]

Mehr Wohnungen für weniger Menschen

Ergebnis des seit Jahren propagierten natürzerstörerischen Programms „Bauen, Bauen, Bauen“ ist die Errichtung von rund 900 zusätzlichen Wohnungen für eine seit Jahren nahezu konstante und zukünftig weiter rückläufige Bevölkerung. Der Bau von immer mehr Einfamilienhäusern, mit immer mehr Wohnfläche für stetig kleiner werdende Haushalte trägt in keiner Weise zur Lösung des demografischen Problems bei. Das belegen die vorliegenden Fakten in eindrucksvoller Weise.

Es kann auch in Everswinkel wohl kaum darum gehen, den demografischen Wandel zu verhindern, dazu ist es zu spät. Es geht darum, ihn zu gestalten.

Für die Schaffung des von nahezu allen Kommunalpolitikern im Wahlkampf geforderten bezahlbaren Wohnraums bedarf es keineswegs der Erhöhung des bereits jetzt in allen ländlichen Kreisen des Münsterlandes vorhandenen Überangebots an Einfamilienhäusern.[2] Der sinnvollere Weg zu bezahlbarem Wohnraum ist es, vorhandene Wohnungen und Häuser besser zu nutzen. Neubau ist immer teuer, und selbst sparsames Bauen bringt Mieten kaum unter zehn Euro je Quadratmeter.[3]

Wandel durch „Bauscham“

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels bedeutet Wahlwerbung mit dem Motto „Bauen, Bauen, Bauen“ nichts anderes als „Menschen gehen, Beton kommt“. Eine zukunftsweisende Kommunalpolitik erfordert in Everswinkel und ebenso in vielen anderen Kommunen einen radikalen Wandel. Kein Bürgermeister und kein Kommunalpolitiker sollte in Zeiten des Klimawandels mehr stolz darauf sein, neue Baugebiete für die Bebauung mit überwiegend Einfamilienhäusern auszuweisen.

Ein Ende des Flächenverbrauchs und Schluss mit dem klimaschädlichen Neubau sind die Gebote der Stunde. Statt „Bauwut“ sollte „Bauscham“[4] das wesentliche Merkmal einer zukunfsfähigen Kommunalpolitik sein.

Wenn wir auch den nachfolgenden Generationen die gleichen Lebenschancen einräumen wollen, wie wir sie heute für uns in Anspruch nehmen, sollten wir den Wahlslogan „Bauen, Bauen, Bauen“ schleunigst ersetzten. Stattdessen sollte es z. B. heißen „Neubau ist massive Klimazerstörung“[5] oder „Bauen schadet Klima wie Autos und Fleisch“[6].

Mitdenken statt nachplappern

Zum Glück gibt es ein weiteres Plakat der Partei, die als Wahlslogan „Bauen, Bauen, Bauen“ propagiert. Mit dem zweiten Werbespruch fordert sie zum Mitdenken auf.

 

Mitdenken statt Nachplappern

 

Das ist das erfreuliche an der Kommunalwahl. Auch in Everswinkel und Alverskirchen haben die Bürger mit ausdrücklicher Genehmigung obiger Partei, die Freiheit, mitzudenken. Sicherlich könnte der ein oder andere durch Mitdenken zu dem Schluss kommen, dass eine Partei, die sich weiterhin für die Naturzerstörung durch „Bauen, Bauen, Bauen“ einsetzt, wohl kaum wählbar ist.

Sich der eigenen Vernunft bedienen

Jeder Bürger sollte insbesondere vor der Kommunalwahl noch einmal innehalten und sich die Frage stellen, ob er „Teil jener Generation gewesen sein möchte, die den Planeten ruiniert hat, weil sie dumm und ungeprüft Glaubenssätzen von Wachstum, Fortschritt und Wettbewerb gefolgt ist, ohne zu prüfen, wie weit sie tragen – oder ob man Teil jener Generation gewesen sein möchte, die die Zeichen der Zeit erkannt und noch rechtzeitig umgesteuert hat. Am Ende ist das auch eine Frage von Intelligenz. So weit sollte das Erbe der Aufklärung schon noch reichen, dass man nicht Wachstumspredigern und Fortschrittsaposteln folgt, ohne sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen.“[7]

 

[1] Siehe insbesondere den Beitrag „Everswinkel in der Demografiefalle“.
[2] Siehe hierzu insbesondere den Beitrag „IW-Studie: Im Kreis Warendorf wird zu viel gebaut“.
[3] Vgl. Fuhrhop, Daniel: Verbietet das Bauen! Streitschrift gegen Spekulation, Abriss und Flächenfrass, 2020, Seite 71 f.
[4] Ebenda, Seite 13.
[5] Fuhrhop, Daniel in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung vom 21. November 2019.
[6] Fuhrhop, Daniel in einem Interviews auf ntv vom 18. September 2019.
[7] Welzer, Harald: Die Magie des Wachstums. Warum es unsere Kinder einmal schlechter haben, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe Juni 2010, Seite, 66.