10 Jahre Königskamp – ein kurzer Rückblick

Auf Vorschlag des Bürgermeisters der Gemeinde Everswinkel entschied der Bezirksausschuss Alverskirchen vor nunmehr 10 Jahren, eine im Freiraum liegende Fläche zur Ausweisung mit ca. 60 Grundstücken zu überplanen, um die Errichtung von über 100 Wohneinheiten zu ermöglichen.[1]

Vorsätzlicher Rechtsbruch

Vor der Entscheidung für das am nordwestlichen  Ortsrand liegende Baugebiet mit der Bezeichnung „Königskamp“ wurde in der Sitzung am 20. November 2008 noch einmal ausdrücklich auf die zu beachtenden raumordnerischen Bestimmungen des Landesentwicklungs- und Regionalplans hingewiesen. Danach ist die Ortslage Everswinkel Siedlungsschwerpunkt, während der Ortsteil Alverskirchen dem Freiraum zugeordnet ist und dort nur zusätzliche Baugrundstücke für den Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung ausgewiesen werden dürfen.[2]

Trotz dieser den Kommunalpolitikern und der Verwaltung bekannten Rechtslage wurde mehrheitlich die Entscheidung getroffen, entgegen den Zielen der Raumordnung ein überdimensioniertes Baugebiet auf den Weg zu bringen. Auch die im Rahmen einer Bürgerversammlung vorgetragenen Einwendungen der besorgten Dorfbewohner und die im Rahmen des Bauleitverfahrens eingebrachten Stellungnahmen konnten die Entscheidungsträger nicht von ihrem rechtswidrigen Verhalten abbringen.

OVG rügt jahrzehntelange Rechtsverstöße

Folgerichtig wurde der Bebauungsplan Nr. 52 „Königskamp“ im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vom Oberverwaltungsgericht Münster mit Urteil vom 18. Oktober 2013 aufgehoben. In einer für jeden verständlichen Deutlichkeit zeigt das OVG in seinem Urteil das rechtswidrige Verhalten der Verwaltung und der Kommunalpolitiker auf. Das Gericht stellt in seiner schriftlichen Urteilsbegründung fest, dass in Alverskirchen „seit 1990 etwa 200 Bauplätze ausgewiesen worden sind, ohne dass das Ziel der Raumordnung, die Siedlungsentwicklung der Gemeinden grundsätzliche auf den Flächen zu vollziehen, die im Regionalplan als Siedlungsbereich dargestellt sind, hinreichende Beachtung gefunden hat“.[3]

Fehlverhalten lässt Umweltgedanken scheitern

Ausdrücklich weisen die Richter auf die Möglichkeit der räumlichen Entwicklung Alverskirchens hin. Allerdings nur im Rahmen des Bedarfs der ansässigen Bevölkerung, sofern er besteht. „Auch sind Ortsfremde keinesfalls gehindert, ihren Wohnsitz in Alverskirchen zu nehmen. Die übergeordneten Ziele der Regionalplanung lassen es nur nicht zu, gerade für diesen Personenkreis neue Bauplätze im bisherigen siedlungsnahen Freiraum zu schaffen.“[4]

Das von der Gemeinde Everswinkel und offenbar auch von vielen anderen Kommunen an den Tag gelegte Fehlverhalten, muss nach Ansicht der obersten Verwaltungsrichter die übergeordneten Ziele der Regionalplanung, mit denen einem fortschreitenden Flächenverbrauch entgegengetreten und dem Umweltgedanken Rechnung getragen werden soll, zwangsläufig scheitern lassen.[5]

„Königskamp“ kein Präzedenz- oder Sonderfall

Das Urteil des OVG setzt daher keine neuen Maßstäbe oder Voraussetzungen für die Entwicklungsmöglichkeiten kleinerer Ortschaften mit weniger als 2.000 Einwohnern. Das OVG hat lediglich die Beachtung der bestehenden Ziele der Raumordnung eingefordert. Aus diesem Grund ist die Entscheidung des OVG zu dem Baugebiet „Königskamp“ weder ein Sonder- noch ein Präzedenzfall.[6]

Die landesplanungsrechtlichen Ziele der Raumordnung stellen im öffentlichen Interesse geregelte verbindliche Vorgaben zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes dar. Mit anderen Worten: Die Ziele der Raumordnung wurden im übergeordneten Interesse zum Schutz der Natur und zum Schutz der Allgemeinheit und damit auch zum Schutz der dörflichen Gemeinschaft in Alverskirchen aufgestellt.

Anspruch der Bürger auf Einhaltung geltenden Rechts

Die Kommunen als Adressaten der Raumordnungsziele haben daher alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele gefährden können. Hierzu zählt insbesondere das Unterlassen der Einleitung zielwidriger Bauleitplanungen.

Die Bürger haben einen Anspruch auf die strikte Einhaltung geltenden Rechts sowohl gegenüber der Verwaltung als auch gegenüber den gewählten Kommunalpolitikern. Auch wenn einige kommunalpolitische Entscheidungsträger in Everswinkel offenbar immer noch anderer Ansicht sind.

„Weiter so wie bisher“ löst keine demografischen Probleme

„Wir betreiben keine Vergangenheitsbewältigung …“ Vielmehr sei der Blick nach vorn gerichtet. Es werde nach Lösungen gesucht, um weiter machen zu können, wie bisher. Eine bemerkenswerte Position, die von der Mehrheitspartei in Everswinkel nicht nur unmittelbar nach der Aufhebung des rechtswidrigen Bebauungsplans „Königskamp“ vertreten wurde.[7] Eine Position, die ganz offensichtlich auch 10 Jahre nach der Entscheidung für die Ausweisung eines überdimensionierten Baugebietes im Ortsteil Alverskirchen bei der politischen Mehrheit nach wie vor Gültigkeit hat.[8]

Immer deutlicher wird, dass auch mit der Ausweisung weiterer überdimensionierter Baugebiete im naturnahen Freiraum die anstehenden demografischen Probleme, wie Überalterung und Rückgang der Bevölkerung, nicht gelöst werden können. Trotz erheblichen Flächenverbrauchs und gravierender Naturzerstörungen sowie kostenintensiver Werbemaßnahmen für den Verkauf von Grundstücken zu Dumpingpreisen an Auswärtige, ist es in Alverskirchen zu einem Rückgang der Bevölkerung und zur Schließung einer Reihe von Infrastruktureinrichtungen gekommen.

Das Dorf hat Zukunft

Zahlreiche positive Beispiele in anderen Kommunen zeigen, dass Dörfer im ländlichen Raum auch bei stagnierenden oder sogar rückläufigen Einwohnerzahlen zukunftsfähig sind. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gestaltung der Zukunft Alverskirchens sind Maßnahmen zur Stärkung der dörflichen Gemeinschaft und Maßnahmen zum Schutz der Münsterländer Parklandschaft. Ein erster Schritt in eine solche Richtung sollte die Akzeptanz der Ziele der Raumordnung sein.

 

[1] Gemeinde Everswinkel: Sitzungen des Bezirksausschusses vom 20. August 2008 und 20. November 2008.
[2] Vgl. Gemeinde Everswinkel: Niederschrift der Sitzung des Bezirksausschusses Alverskirchen vom 20. November 2008, Seite 7.
[3] Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Oktober 2013, 10 D 4/11, Seite 21.
[4] Ebenda, Seite 21.
[5] Ebenda, Seite 21.
[6] Bezirksregierung Münster: Auswirkungen des OVG-Urteils zum Bebauungsplan „Königskamp“, Pressemitteilung vom 08. November 2013.
[7] Aus den zahlreichen Äußerungen wird hier beispielhaft auf zwei Artikel verwiesen:
Westfälische Nachrichten, Artikel vom 22. Oktober 2013: CDU sieht große Gefahr.
Westfälische Nachrichten, Artikel vom 13. Dezember 2013: Ärger über Störfeuer.
[8] Westfälische Nachrichten, Artikel vom 03. März 2018: Empfehlung für neues Bauland.