„Wo kein Kläger, da kein Richter!“

Bei der Verabschiedung des Gemeindehaushalts 2014 wurde in den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum Baugebiet „Königskamp“ in unterschiedlicher Weise „gewürdigt“.[1]

Angeblicher „Bürgerwunsch“: Naturzerstörung statt Naturerhaltung

Der Vertreter der CDU wies ausdrücklich darauf hin, dass trotz der eindeutigen Aussagen in dem vom OVG gefällten Urteil das Bauen im Königskamp fortgesetzt werden soll.

Maßgeblich für die Entscheidungen der CDU-Politiker ist ganz offensichtlich weniger die Einhaltung der von den Richtern des OVG angemahnten raumordnerischen Bestimmungen, als vielmehr der angeblich „mehrheitlich von der Bürgerschaft in Alverskirchen klar geäußerte Wunsch, Bauen im Königskamp, zu ermöglichen“ und die damit einhergehende Naturzerstörung am Dorfrand fortzusetzen. [2]

Neben der Aufstellung eines neuen Bebauungsplans für den vom OVG für unwirksam erklärten Plan werde die CDU „in Zukunft die Innenentwicklung ausdrücklich unterstützen, da dies der Auftrag aus dem OVG-Urteil sei“.[3]

Lippenbekenntnis für Innenentwicklung

Hier verkennt die CDU offenbar, dass das OVG keine Aufträge erteilt. Das Gericht hat vielmehr die Umsetzung geltenden Rechts auch in der Gemeinde Everswinkel eingefordert. Der Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ findet sich seit langem im Baugesetzbuch, im Landesentwicklungsplan und im Regionalplan.

Dieses sinnvolle Prinzip, mit dem der unsinnige Flächenfraß am Ortsrand vermindert werden soll, wurde in Everswinkel jedoch bisher kaum zur Kenntnis genommen. Deshalb der mahnende Zeigefinger der Richter des OVG.

Die in der Haushaltsrede der CDU gemachte Aussage, in Zukunft den Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ zu beachten, wird allerdings im gleichen Atemzug ad absurdum geführt und ist daher nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Mit der klaren Priorisierung, das Baugebiet Königskamp im Außenbereich zu entwickeln, wird bereits der erneute Verstoß gegen die Ziele der Raumordnung deklariert.

FDP: Risiko bei Rechtsverstößen relativ gering

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion bemüht in seiner Haushaltsrede ein altes Sprichwort für die Beschreibung der Situation um das Baugebiet Königskamp: „Wo kein Kläger, da kein Richter“, lautet die auf den ersten Anschein lapidar klingende Aussage. Ergänzt wird der Ausspruch durch die Feststellung: „Gegen den Bebauungsplan für das Baugebiet Königskamp ist allerdings geklagt worden.“[4]

Ein Kommunalpolitiker, der die Redensart „Wo kein Kläger, da kein Richter“ bemüht, offenbart in aller Deutlichkeit seine Einstellung im Umgang mit gesetzlichen Regelungen: Er bringt damit zum Ausdruck, dass er sich im Allgemeinen wenig um gesetzliche Verpflichtungen schert.

Da nur im Ausnahmefall ein Bürger gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans klagt, waren die Kommunalpolitiker in den vergangenen Jahrzehnten mit dieser Einstellung recht erfolgreich. Im Ortsteil Alverskirchen ist es unter Missachtung der Ziele der Raumordnung gelungen, mehrere überdimensionierte Baugebiete am Ortsrand auszuweisen.[5]

Der FDP-Vertreter sieht offenbar auch für die Zukunft kein Problem darin, im regionalplanerischen Freiraum weitere Siedlungsfläche auszuweisen. „Wir müssen den Blick nach vorne richten und alles Nötige veranlassen, um möglichst schnell einen neuen Bebauungsplan aufzustellen.“[6]

Armutszeugnis für Kommunalpolitiker

„Das Gericht hat ein Urteil gefällt, welches ich und viele andere in der Sache nicht verstanden haben“ so der Fraktionsvorsitzende der FDP wörtlich.[7] Dieser Satz ist entlarvend. Der FDP-Fraktionsvorsitzende hat nach eigenem Bekunden die Aussagen des Gerichts immer noch nicht begriffen. Dabei sagt das Gericht unmissverständlich: Die Mitglieder des Gemeinderates Everswinkel haben seit Jahren gegen geltendes Recht verstoßen.

Das begründet das Gericht sehr ausführlich und auch für den juristischen Laien durchaus nachvollziehbar. Im Kern sagen die Richter, wenn ihr in Alverskirchen die Natur zerstören wollt, um ein neues Baugebiet auszuweisen, dann ist das nur ausnahmsweise unter ganz bestimmten Bedingungen möglich. Diese Bedingungen wurden aber bei der Ausweisung des Baugebietes Königskamp nicht erfüllt.[8]

Bereits 2006 hatte das OVG in einem ähnlich gelagerten Fall ausdrücklich betont, dass der Bedarf für die Ausweisung neuen Baulands für die ortsansässige Bevölkerung nachgewiesen werden muss, so wie es der Regionalplan seit Jahrzehnten vorsieht.[9] Es ist vor diesem Hintergrund erstaunlich, weshalb die Mehrheit des Gemeinderates ohne Bedarfsnachweis der Ausweisung des Baugebietes 2010 zugestimmt hat. Geradezu unfassbar ist es jedoch, wenn sich der Fraktionsvorsitzende einer Partei, die diesen fehlerhaften Beschluss mitgetragen hat, nun offen dazu bekennt, er habe das Ganze immer noch nicht verstanden.

Ein größeres Armutszeugnis kann ein Kommunalpolitiker für sich und „viele andere“ wohl kaum ausstellen.

Für die Kommunalpolitiker, die sich immer noch nicht eingestehen wollen, dass sie an einem eklatanten Rechtsbruch mitgewirkt haben, empfiehlt sich ein Blick in den Regionalplan und in das OVG-Urteil. Sinnverstehendes Lesen kann hier sicherlich weiterhelfen.

Paradigmenwechsel statt „Imagekampagne“ erforderlich

„Die Ereignisse um den Königskamp boten ein trauriges Spiel und stellen die Gemeinde Everswinkel nicht gerade in ein positives Licht“, stellte der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fest.[10]

„Es bedarf sicherlich einer Image-Kampagne, um diese Scharte wieder auszuwetzen. Dabei ist nicht Alfred Wolk, ehemaliges SPD-Ratsmitglied, der Schuldige, der in einem persönlich für sich und seine Familie aufreibenden Rechtsverfahren aufgezeigt hat, dass es vor allem in Alverskirchen mit einer Entwicklungsplanung „Immer weiter so“ zu Ende ist.“[11]

Die von den Grünen geforderte Imagekampagne sollte in Form eines Paradigmenwechsels erfolgen: Statt einer auf Naturzerstörung angelegten wachstumsorientierten Angebotsplanung ist eine auf die Innenentwicklung fokussierte bedarfsgerechte Wohnungspolitik erforderlich.[12]

Anmerkung: Die jeweiligen Haushaltsreden sind über die nachfolgenden Links abrufbar:
Haushaltsrede der CDU-Fraktion
Haushaltsrede der FDP-Fraktion
Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

[1] Der Bebauungsplan „Königskamp“ wurde mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 18. Oktober 2013 aufgehoben. Siehe Glossar: Oberverwaltungsgericht.
2] Rede des Vertreters der CDU-Fraktion zur Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2014 in der Sitzung des Rates der Gemeinde Everswinkel am 17. Dezember 2013, Seite 2.
[3] Ebenda, Seite 3.
[4] Rede des Vertreters der FDP-Fraktion zur Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2014 in der Sitzung des Rates der Gemeinde Everswinkel am 17. Dezember 2013, Seite 6.
[5] Siehe hierzu insbesondere: Baugebiete seit 1990. (Link einfügen)
[6] Rede des Vertreters der FDP-Fraktion zur Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2014 in der Sitzung des Rates der Gemeinde Everswinkel am 17. Dezember 2013, Seite 6.
[7] Ebenda.
[8] Vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2013, 10 D 4/11 NE. Abrufbar: Siehe Fußnote 1.
[9] Vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 04. Dezember 2006, 7 A 1862/06.
[10] Rede des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2014 in der Sitzung des Rates der Gemeinde Everswinkel am 17. Dezember 2013, Seite 2.
[11] Ebenda.
[12] Ebenda, Seite 3.