Everswinkeler Landwirte fordern sofortiges Umdenken

„Brauchen wir wirklich immer neue Baugebiete? Soll sich eine Gemeinde wie Everswinkel wirklich zur Schlafstadt von Münster degradieren? Ist größer immer besser oder schaffen wir uns und unseren Nachkommen nur kaum lösbare Probleme?“[1]

Die Everswinkeler Landwirte haben auf diese Fragen eine eindeutige Antwort: Sie fordern vom Bürgermeister und den Kommunalpolitkern ein sofortiges Umdenken in Sachen gemeindlicher Baulandpolitik. Eine Abkehr vom Zeitgeist der 80er Jahre, dem die örtlichen Politiker offenbar immer noch folgen, da sie schlicht Größe mit Erfolg verwechseln, sei zwingend erforderlich.[2]

Als beunruhigend bewerten die Landwirte den momentanen Flächenverbrauch von 23 Hektar täglich in NRW. Rein Rechnerisch bedeutet diese tägliche Flächeninanspruchnahme, dass schon in 300 Jahren sämtliche Agrarflächen versiegelt sind. Auch der nach wie vor hohe Flächenverbrauch in der Gemeinde Everswinkel ist nach Ansicht der örtlichen Landwirte besorgniserregend.

Aktuelles Baugebiet als Musterbeispiel in Sachen Naturzerstörung

Durch das aktuell von der Gemeinde Everswinkel als Angebotsplanung ausgewiesene Baugebiet „Bergkamp III“ werde erneut wertvolle Naturfläche zerstört. „Auf der für das Baugebiet vorgesehenen Fläche befinden sich eine Streuobstwiese, Hecken, Felder, Wiesen, Lebensraum für bedrohte Tierarten, wie die Feldlerche, dessen Umsiedlung in der Regel erfolglos ist.“[3] Mit aller Deutlichkeit wird hier von den Landwirten auf die Folgen des naturzerstörerischen Bauwahns der Gemeinde Everswinkel hingewiesen.

Naturzerstörung als „Kollateralschaden“

Der Bürgermeister und die Mehrheit der Everswinkeler Kommunalpolitiker sehen allerdings die Fortsetzung der bisherigen „Kirchturmpolitik“ als Antwort auf die auch in Everswinkel unübersehbaren demografischen Veränderungen als alternativlos an.[4] Mit der Ausweisung von weiteren Baugebieten auf der „grünen Wiese“ sollen insbesondere junge Familien aus den Nachbarkommunen „angelockt“ werden.[5] Die damit einhergehende Naturzerstörung wird als Kollateralschaden in Kauf genommen. Getreu dem Motto: Nach uns die Sintflut.

Illusion: Imagepflege durch Naturzerstörung

Auf der Ebene des Kreises Warendorf wird sogar die Forderung erhoben, den Flächenverbrauch stärker als bisher zu forcieren. Die Attraktivität des Kreises müsse gestärkt werden, wofür eine entsprechende politische Weichenstellung erforderlich sei, heißt es in einem aktuellen Bericht der Tageszeitung „Die Glocke“.[6] Zur Ausweisung weiterer Baugebiete solle die Flächenmobilisierung für die Kommunen erleichtert werden.[7] Mit anderen Worten: Die kommunale Selbstbedienungsmentalität in Sachen Flächeninanspruchnahme, die mit Einführung des
§ 13 b BauGB bereits stark ausgeweitet wurde, soll noch weiter erhöht werden.[8] In Anbetracht einer voraussichtlichen Verringerung der Bevölkerung innerhalb des Kreises Warendorf von ca. 13.000 Menschen bis zum Jahr 2040 ist die Forderung nach immer mehr Bauland mehr als befremdlich. [9] Die politischen Entscheidungsträger im Kreis Warendorf sollten sich möglichst rasch von der Illusion verabschieden, das Image des Kreises könne durch immer mehr Baulandausweisungen und folglich immer mehr Flächenverbrauch verbessert werden.

Preiswertes Bauland zur Verminderung der „Anlagenot“

Vor dem Hintergrund der Fortsetzung des natürlichen Bevölkerungsrückgangs in den ländlichen Kreisen des Münsterlandes geht es bei der Ausweisung von Baugebieten zur Errichtung von überwiegend Einfamilienhäusern wohl kaum um die Beseitigung einer von zahlreichen Bürgermeistern und Kommunalpolitikern vorgeschobenen „Wohnungsnot“. Vielmehr geht es ganz offensichtlich bei der „Bereitstellung von preiswertem Bauland“ um Hilfestellung bei der Verminderung einer „Anlagenot“, in der sich angesichts der Zinssituation auf dem Kapitalmarkt viele Anleger befinden. Unverkennbares Motto: Rendite first.

Zukunftsvision: Innenentwicklung und Nachnutzung von Bestandsimmobilien

Zu Recht fordern die Everswinkeler Landwirte, in Zukunft auf die Ausweisung von zusätzlichem Bauland weitgehend zu verzichten. Stattdessen solle der Wohnungsbedarf für die örtliche Bevölkerung durch Innenentwicklung und durch die Nachnutzung der in Zukunft aufgrund des Generationenwechsels verstärkt an den Markt kommenden Bestandsimmobilien gedeckt werden.[10]

 

[1] Artikel in den Westfälischen Nachrichten vom 22. Januar 2020: Bauern gegen neue Baugebiete.
[2] Ebenda.
[3] Ebenda.
[4] Anmerkung: Zu den auch in vielen anderen Orten unternommenen Versuchen, dem demografischen Wandel durch das „Anlocken“ von Einwohnern aus den Nachbarkommunen zu begegnen, siehe im Glossar das Stichwort: „Kirchturmdenken“
[5] Anmerkung: Siehe hierzu insbesondere den Beitrag vom 21. Dezember 2019: „Haushalt Everswinkel: Offensive für mehr Naturzerstörung“.
[6] Artikel in „Die Glocke“ vom 17. Januar 2020: Attraktivität des Kreises muss gestärkt werden.
[7] Ebenda.
[8] Anmerkung: Ergänzende Hinweis zum § 13 b BauGB finden sich insbesondere in dem Beitrag vom 31. Dezember 2019: „Der Königskamp im Jahr 2019“.
[9] Kreis Warendorf (Hrsg.): Kommunale Pflegeplanung 2018, Seite 11.
[10] Artikel in den Westfälischen Nachrichten vom 22. Januar 2020, ebenda.