Im Rahmen des vom 07. Mai 2018 bis zum 15. Juli 2018 durchgeführten Beteiligungsverfahrens zur Änderung des Landesentwicklungsplans NRW wurde von Alfred Wolk die nachfolgend in einer Kurzfassung wiedergegebene Stellungnahme abgegeben. Die vollständige Stellungnahme kann über den untenstehenden Link aufgerufen werden.
Hoher Flächenverbrauch in NRW
Nach dem aktuellen Umweltbericht beträgt der Flächenverbrauch durchschnittlich 9 Hektar oder 13 Fußballfelder pro Tag in Nordrhein-Westfalen. Der größte Flächenverbrauch findet dabei nach wie vor im Münsterland statt. Nach Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln wird in den ländlichen Kreisen des Münsterlandes weit über den Bedarf gebaut. Insbesondere werden auf dem Land deutlich zu viele Einfamilienhäuser errichtet und damit die künftigen Leerstände und die Verödung von Ortzentren produziert.
Schwächung des Freiraumschutzes durch LEP-Änderungen
Vor dem hier aufgezeigten Hintergrund ist es vollkommen unverständlich, dass die Landesregierung durch Änderungen der im aktuellen Landesentwicklungsplan unter dem Ziel 2-3 „Siedlungsraum und Freiraum“ verankerten Bestimmungen nunmehr Ortsteile mit unter 2.000 Einwohnern der Zersiedelung preisgeben will.
Die beabsichtigte Änderung des gültigen LEP-Ziels „Siedlungsraum und Freiraum“ und die beabsichtigte Streichung des Grundsatzes „Leitbild flächensparender Siedlungsentwicklung“ (Nr. 6.1-2) bedeuten eine Schwächung des Freiraumraumschutzes und stehen einer nachhaltigen Raumnutzung entgegen.
Paradigmenwechsel: Abkehr vom Nachhaltigkeitsziel
Durch den Verzicht auf die im Grundsatz Nr. 6.1-2 festgelegte Absicht, das tägliche Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen in NRW bis zum Jahre 2020 auf täglich maximal fünf Hektar zu begrenzen und langfristig auf „Netto-Null“ zu reduzieren wird eine quantifizierbare Vorgabe aufgegeben. Damit signalisiert die Landesregierung einen Paradigmenwechsel. Sie fühlt sich ganz offensichtlich nicht mehr dem gesamtgesellschaftlichen Konsens der im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie vereinbarten Zielsetzung zur Reduzierung des Flächenverbrauchs verpflichtet. Obwohl die Notwendigkeit zur Einschränkung des Flächenverbrauchs gerade in Nordrhein-Westfalen unstrittig gegeben ist, sollen Regelungen außer Kraft gesetzt werden mit der Begründung, sie seien bisher nicht wirksam genug gewesen.
Eine Bank bzw. Sparkasse, die mehrfach ausgeraubt wurde, wird wohl kaum auf die Idee kommen und den Tresor in Zukunft dauerhaft geöffnet lassen, um dem Bankräuber die Arbeit zu erleichtern.
Die Landesregierung legt mit den geplanten Änderungen des Landesentwicklungsplans das im obigen Beispiel dargestellte unakzeptable Verhalten an den Tag. Mit der Begründung, die bisher ergriffenen raumordnerischen Maßnahmen hätten nicht zu der anvisierten Flächenreduzierung geführt, will die Landesregierung die bestehenden Regelungen weiter lockern und damit den nach wie vor zu hohen Flächenverbrauch aus kurzfristigen politischen Motiven weiter forcieren. Regelungen, die bisher mit Duldung der Bezirksregierung und des Bauministeriums missachtet wurden, sind nicht überflüssig und aufzuheben, sondern vielmehr zu einem wirksameren Instrument als bisher zu entwickeln, damit die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes auch in NRW umgesetzt werden können.
Natur darf nicht den Kräften des Marktes überlassen werden
Eine als „Entfesselung“, deklarierte Änderung des Landesentwicklungsplans bedeutet nichts anderes, als die Natur weitgehend schutzlos den Kräften des Marktes zu überlassen und damit bewusst einem ungehemmten Flächenverbrauch Vorschub zu leisten.
Um den zwangsläufig irreparablen Schaden infolge der Umsetzung der „Entfesselungsmaßnahmen“ zu verhindern, wird die Landesregierung aufgefordert, von den geplanten Änderungen des erst am 8. Februar 2017 in Kraft getretenen Landesentwicklungsplans abzusehen.
Es ist insbesondere sicherzustellen, dass
- der Grundsatz Nr. 6.1-2, mit dem der tägliche Flächenverbrauch bis 2020 auf fünf Hektar begrenzt werden soll, erhalten bleibt und
- die im LEP-Ziel 2-3 „Siedlungsraum und Freiraum“ auf den Eigenbedarf begrenzte Entwicklung von im Freiraum gelegenen Orten unter 2.000 Einwohnern durch Beseitigung der Vollzugsdefizite konsequent umgesetzt wird.
Geplante Änderungen verstoßen gegen das Raumordnungsgesetz
Die Grundsätze der Raumordnung sind auch vom Land Nordrhein-Westfalen im Sinne der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung anzuwenden und durch Festlegungen im Landesentwicklungsplan und in Regionalplänen zu konkretisieren (§ 2 Abs. 1 ROG). Oberstes Leitbild der Raumordnung ist nach § 1 Abs. 2 ROG eine nachhaltige Raumentwicklung. Sie soll sicherstellen, dass die sozialen und ökonomischen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang gebracht werden.
Die von der Landesregierung angekündigten Änderungen widersprechen weitgehend der durch das Raumordnungsgesetz auf die Länder übertragenen Aufgabe, da sie einseitig die ökonomischen Funktionen in den Vordergrund stellt. Die Landesregierung betont ausdrücklich, dass die geplanten Änderungen des Landesentwicklungsplans in erster Linie auf die „Entfesselung“ der Marktkräfte abzielen.
Eine solche Politik ist nicht zukunftsorientiert. Es handelt sich vielmehr um planloses, unkoordiniertes Durchwursteln, um einen Wettbewerb nach dem Muster „jeder gegen jeden“, den langfristig niemand gewinnen kann. Der große Verlierer ist bei einem weiterhin ungezügelten Siedlungsflächenverbrauch die Natur.
Die ausführliche Stellungnahme kann hier aufgerufen werden:
2018-07-15 Stellungnahme