Mehr als 200 Landwirten im Münsterland wird die Existenzgrundlage entzogen

Mit der Begründung, wir wollen den „Wohlstand“ im Münsterland sichern,[1] soll mit der Änderung des Regionalplans mehr als 200 Landwirten die Existenzgrundlage entzogen werden.

Die Änderungen des Regionalplans sehen vor, dass trotz eines voraussichtlichen Bevölkerungsrückgangs in Höhe von 5.267 Einwohnern bis zum Jahr 2045 weitere 6.357 ha bisher überwiegend landwirtschaftlich genutzter Fläche den 66 Kommunen des Münsterlandes zukünftig für die Wohnbebauung und für die Wirtschaft (Gewerbeflächen) planungsrechtlich zur Verfügung gestellt werden.

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung und Flächenverbrauch bis 2045[2]

Die überwiegend mittelgroßen bäuerlichen Familienbetriebe des Münsterlandes bewirtschaften durchschnittlich eine Fläche von 33 Hektar.[3] Bei einem Verlust von 6.357 ha stehen somit 193 Landwirten keine Flächen mehr zur Bewirtschaftung zur Verfügung.

Überdies müssen bei der Bebauung landwirtschaftlicher Flächen zusätzliche Flächen zur Kompensation der damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft bereitgestellt werden. Durch die Eingriffskompensation werden weitere Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen,[4] so dass tatsächlich weit über 200 Landwirte die Grundlage ihrer Existenz verlieren werden.

Nahrungsgrundlage für 30.000 Menschen entfällt

Für die Ernährung einer Person werden im Durchschnitt 2 250 m² (=0,225 ha) landwirtschaftlicher Fläche benötigt. Ein Landwirt ernährt somit bei einer Betriebsgröße von 33 ha ca. 147 Personen.[5] Zur Versorgung der rund 18 Millionen Einwohner Nordrhein-Westfalens wären demnach rund 4,1 Mio. Hektar erforderlich. Da in Nordrhein-Westfalen aber nur noch rund 1,5 Mio. Hektar vorhanden sind, können auf der Landesfläche überschlägig nur rund 37 % der nordrhein-westfälischen Bevölkerung ernährt werden.[6]

Die für die Ernährung der Bevölkerung wichtige landwirtschaftliche Fläche wird mit den Neufestlegungen im Regionalplan noch weiter reduziert. D. h. rein rechnerisch wird ca. 30.000 Bewohnern des Münsterlandes zukünftig die Nahrungsgrundlage verwehrt, da den 200 Landwirten der dafür erforderliche Boden fehlt.[7]

Flächenverbrauch wird forciert

Mit der Aktualisierung des Regionalplans wird die Reduzierung landwirtschaftlich wertvoller Nutzfläche der vergangenen Jahre um einiges übertroffen. Von 2016 bis 2020 nahm die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Münsterland um jährlich etwa 200 Hektar ab.[8] In den 20 Jahren des Planungszeitraums, für den der neue Regionalplan Gültigkeit haben soll, wird die Reduzierung der landwirtschaftlichen Fläche durchschnittlich jährlich über 300 Hektar betragen.[9]

Zustimmung verweigern

Für die Bürgermeister und die Kommunalpolitiker der Städte und Gemeinden des Münsterlandes, die maßgeblich darüber entscheiden, ob der Entwurf des Regionalplans in der vorliegenden Fassung zustande kommt, dürfte es kein neuer Gedanke sein, dass permanentes Wachstum keine Zukunft hat. Es ist daher zu hoffen, dass die Mehrheit der Entscheidungsträger sich von dem Modell der Wirtschaftsdominanz, das der Flächenberechnung im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplans zugrunde liegt, eine klare Absage erteilt.

Vor dem Hintergrund eines auch im Münsterland sich zukünftig verstärkenden Bevölkerungsrückgangs ist die Frage zu beantworten, wozu eigentlich in dem immensen Ausmaß wie es der Regionalplan für die nächsten Jahren vorsieht wertvolle Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen und unsere Umwelt in diesem Ausmaß zerstört werden muss.

Zu Recht fragt die Affenforscherin Jane Goodall: „Wie kann es sein, dass das klügste Wesen, das die Erde jemals betreten hat, sein einziges Zuhause zerstört?“[10]

Anmerkungen:
Eine Übersicht über die Bevölkerungsvorausberechnung und den Flächenverbrauch auf Gemeindeebene kann über den nachfolgenden Link aufgerufen werden:
Bevölkerungsvorausberechnung und Flächenbedarf bis 2045

Erläuterungen zum Siedlungsflächenpotenzialmodell der Bezirksregierung finden sich in der Petition:
Ignoranz der Fakten beenden – Schrumpfung akzeptieren – Schaden vermeiden

Weiter Beiträge zur Änderung des Regionalplans Münsterland:
Regionalplan Münsterland

 

[1] Bezirksregierung Münster: Niederschrift der Sitzung des Regionalrates am 12. Dezember 2022, Seite 5.
[2] Anmerkung: Über den oben stehenden Link kann eine Übersicht über die Bevölkerungsvorausberechnung und den Flächenverbrauch auf Gemeindeebene aufgerufen werden.
[3] Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Landwirtschaft im Münsterland. Daten – Fakten – Analysen, 3. aktualisierte Auflage 2022, Seite 3. Abrufbar unter:    https://www.landwirtschaftskammer.de/bfa/pdf/muensterland-  landwirtschaft.pdf
[4] Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Zukunftsaufgabe Landwirtschaft, 2022, Seite 7. Abrufbar unter:    https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/landentwicklung/raumplanung/pdf/flaechenschutz.pdf
[5] Anmerkung: 33 ha : 0,225 ha = 147.
[6] Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) Landwirtschaft im Münsterland. Daten – Fakten – Analysen, Seite 8.
[7]  Anmerkung: 200 Landwirte x 147 = 29.333.
[8]  Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Landwirtschaft im Münsterland. Daten – Fakten – Analysen, Seite 20.
[9]  Anmerkung: 6.357 ha für Wohnen u. Wirtschaft : 20 Jahre = 318 ha jährlich.
[10] Anmerkung: Jane Goodall ist eine britische Verhaltensforscherin, die 1960 begann, das Verhalten von Schimpansen zu erforschen.