„Masterplan Grundschule“

Wie stets vor Kommunalwahlen sehen sich auch aktuell Kommunalpolitiker und einzelne politische Parteien veranlasst, Aussagen zur „Rettung“ bzw. zur „Sicherung“ der Grundschule in Alverskirchen zu machen.

Dabei wird unterschwellig suggeriert, die Grundschule sei in Gefahr. Und nur wenn Kandidat X oder Partei Y gewählt wird, kann die Schule gerettet werden. Der „Masterplan“ zur angeblich notwendigen Rettung wird gleich mitgeliefert.

Wohlklingende Werbeaussagen

So heißt es im Werbefleyer einer Partei:

Aus diesem Grund ist es uns ein besonders wichtiges Anliegen, die Schulstandorte in Everswinkel und Alverskirchen zu erhalten.

Daher schauen wir uns Jahr für Jahr die prognostizierten Anmeldezahlen der Grundschulen ganz genau an, um mit eventuellen Werbemaßnahmen Eltern außerhalb Alverskirchens von der Qualität der Schule zu überzeugen[1]

Im aktuellen Kommunalwahlprogramm einer weiteren Partei stellt sich die Situation noch dramatischer dar:

„Stirbt die Schule stirbt ein Dorf“. Das wollen wir verhindern. Wir wollen den Schulstandort … in Alverskirchen erhalten.

Daher werden wir auch zukünftig bei auswärtigen Eltern für die Dorfschule werben, um so die nötigen Schülerzahlen in den Eingangsklassen erreichen zu können.[2]

Die Kosten für den Transport auswärtiger Schüler zur Grundschule Alverskirchen werden von der Gemeinde Everswinkel getragen, so dass der kommunale Haushalt durch die Übernahme dieser freiwilligen Leistung entsprechend belastet wird. Zwar weisen die Parteien in ihren Werbeaussagen darauf hin, eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik betreiben und sich für eine schuldenfreie Gemeinde einsetzen zu wollen[3], doch scheinen die Kosten für die angebliche Rettung der Grundschule keine Rolle zu spielen.

Freiwillig übernommene Kosten erhöhen die Schuldenlast

Der Bürgermeister bezifferte allein die Kosten für den Transport von Kindern aus Wolbeck zur Grundschule Alverskirchen für die Schuljahre 2017/2018 und 2018/2019 mit jährlich 26.200 €.[4] Um diese Beträge wird der jährliche Schuldenstand des kommunalen Haushalts erhöht.

Die Gemeindeprüfungsanstalt stellte bei der Revision der Everswinkeler Finanzsituation fest:

Die Haushaltssituation der Gemeinde Everswinkel ist seit 2009 …durchgängig defizitär. [5]

Everswinkel sollte daher Konsolidierungsmaßnahmen einleiten.[6]

Die von der Gemeindeprüfungsanstalt formulierten Forderungen im Hinblick auf mögliche Konsolidierungsmaßnahmen durch Senkung der Schülerfahrtkosten sind dabei unmissverständlich:

Die Schulwegsaufwendungen je beförderten Schüler liegen deutlich über denen der meisten Vergleichskommunen.

Vor dem Hintergrund der insgesamt sehr hohen Aufwendungen für die Schülerbeförderung sollte die Gemeinde Everswinkel die Praxis der Übernahme freiwilliger Aufwendungen nochmals überdenken.

Dies gilt auch vor dem Aspekt, dass zukünftig eventuell noch Taxen bzw. Mietwagen zur Grundschule Alverskirchen eingesetzt werden sollen. Dies würde voraussichtlich zu weiter steigenden Aufwendungen führen.[7]

Schulgesetzgebung angepasst

Die Bedeutung wohnungsnaher Schulen ist unstrittig. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter praktische wie kurze Schulwege, pädagogische wie einfache Kontakte zwischen Schule und Elternhaus oder Lernen im und am unmittelbaren Schulumfeld, ökonomische wie überschaubarer Kostenaufwand für Schülertransporte.[8]

Bereits mit Wirkung zum Schuljahr 2013/14 hatte die rot-grüne Landesregierung durch eine Änderung des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes eine wohnortnahe Schulversorgung auch bei deutlich zurückgehenden Schülerzahlen sichergestellt, ohne dass Minderungen der Lern- und Unterrichtsqualität in Kauf genommen werden müssen.[9]

Mit der Schulrechtsänderung wird insbesondere der Erhalt auch kleinerer Schulen vor allem im ländlichen Bereich gewährleistet. Einzige Voraussetzung: Die Schule muss von mindestens 46 Kindern besucht werden.

Das Erreichen der Mindestzahl von 46 Kindern war für die Grundschule Alverskirchen zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit gefährdet. Aus heutiger Sicht wird die Schülermindestzahl auch in den nächsten Schuljahren erreicht.

Fehlender Beschluss des Gemeinderates

Die Mindestanzahl von 46 Kindern zum Erhalt des Grundschulstandortes Alverskirchen ist unzweifelhaft auf für die Zukunft gewährleistet. Die einzige Voraussetzung für die Sicherung des Schulstandortes ist ein entsprechender Beschluss des Gemeinderates.

Das Schulgesetz sieht vor, dass Grundschulen mit mindestens 46 Schülern aber weniger als 92 Schülern nur als Teilstandort in einem Grundschulverbund geführt werden können. Nach Aussage des Bürgermeistes wird die für die Eigenständigkeit der Grundschule Alverskirchen erforderliche Mindestgröße  aufgrund der weiter sinkenden Schülerzahlen in den nächsten Jahren nicht mehr erreicht. Die Grundschule Alverkirchen würde damit zwangsläufig Teilstandort eines Grundschulverbunds mit der Grundschule Everswinkel. So der eindeutige Hinweis des Bürgermeisters in einer Presserklärung.[10]

Der Gemeinderat hat bereits vor einiger Zeit den Beschluss gefasst, den Grundschulstandort Alverskirchen zu erhalten. Zur Sicherung des Grundschulstandortes Alverskirchen ist allerdings ein zweiter Beschluss erforderlich, mit dem der Wille zur Einrichtung eines Grundschulverbundes mit der Grundschule Everswinkel zum Ausdruck gebracht wird. Dieser Beschluss ist bisher nicht gefasst worden und soll ganz offensichtlich auf die Zeit nach der Kommunalwahl verschoben werden.

Desinformation statt Offenheit

Schulentwicklung heißt, dass wir den Eltern sagen müssen, was auf sie zukommt.“ Diese Offenheit forderte der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Everswinkel, als er in einer Sitzung des Schulausschusses 2014 den Kommunalpolitikern verdeutlichte, dass die Schülerzahlen von 91 Schülern auf voraussichtlich 50 Schüler bis zum Schuljahr 2020/21 sinken werden. [11]

Sicherlich gehört ein verharmlosend auch „als schulorganisatorische Maßnahme“ bezeichneter Beschluss, mit dem über die Gründung eines Grundschulverbandes entschieden wird, zu den eher unpopulären Entscheidungen auf kommunaler Ebene. Die Vertagung des Beschlusses auf die Zeit nach der anstehenden Kommunalwahl trägt dabei aber wohl kaum zur Lösung des Problems bei.

Im Gegenteil: Der kommunalpolitisch interessierte Bürger muss erstaunt feststellen, dass sich die wohlklingenden Werbeaussagen einiger Parteien als Desinformationsversuch herausstellen, um sich als „Retter“ zu präsentieren, obwohl ein lange im Voraus vorhersehbarer Veränderungsprozess nicht mehr aufzuhalten ist.

Siehe auch: Die Schule bleibt im Dorf – auch in Alverskirchen

 

[1] CDU Everswinkel und Alverskirchen (Hrsg.): schwarz auf weiss. Das politische Info-Papier für Everswinkel und Alverskirchen, Ausgabe 07/April 2020.
[2] FDP-Ortsverband Everswinkel-Alverskirchen: Unser Wahlprogramm 2020. Kapitel: Schulen – denn Bildung bringt´s.
[3] Vgl. FDP Ortsverband Everswinkel-Alverskirchen: Unser Wahlprogramm 2020. Kapitel: Gemeindeverwaltung.
[4] Vgl. Gemeinde Everswinkel: Stellungnahme zur Anhörung „Landesentwicklungsplan“ des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Landesplanung am 15. Mai 2019.
[5] Gemeinde Everswinkel: Bericht zur Prüfung der Gemeinde Everswinkel 2017, Seite 3.
[6] Ebenda, Seite 4.
[7] Ebenda, Seite 19.
[8] Möller, Gerd und Rösner, Ernst: Kurze Beine kurze Wege. Gutachten zur Erhaltung von Grundschulen in Nordrhein-Westfalen, 2011, Seite 7.
[9] Vgl. ebenda, Seite 9.
[10] Westfälische Nachrichten vom 20. November 2019: Grundschule in der Zwickmühle.
[11] Westfälische Nachrichten vom 05. Dezember 2014: Hausaufgaben für die Schulsicherung.