Alverskirchen

Das rund 1.900 Einwohner zählende Dorf Alverskirchen gehört als Ortsteil der Gemeinde Everswinkel wohl zu den bekanntesten Dörfern im Münsterland. Seine Bekanntheit verdankt der Ort vor allem einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG) [1]. Mit dem sogenannten „Königskamp-Urteil“, das landesweit Aufsehen erregte, stellte das OVG fest, dass die Gemeinde jahrzehntelang mit Duldung der Bezirksregierung[2] gegen die Bestimmungen des Regionalplans Münsterland verstoßen hat.

Durch die wiederholt bewusste Missachtung der zum Schutz der Natur und zum Erhalt der dörflichen Strukturen im Regionalplan verankerten Ziele der Raumordnung ist der „Königskamp“ im Eigenentwicklungsortsteil[3] Alverskirchen inzwischen zur Chiffre geworden für den strukturellen Irrsinn im Umgang mit der Ressource Fläche.

Die Mehrheit der Kommunalpolitiker ist trotz der eindeutigen Aussagen im „Königskamp-Urteil“[4] nach wie vor der Ansicht, dem demografischen Wandel in Alverskirchen durch die Ausweisung von Baugebieten im naturnahen Freiraum begegnen zu können. Obwohl mit den zu „Dumpingpreisen“ angebotenen Baugrundstücken auf der „grünen Wiese“ der im gesamten Münsterland zukünftig an Dynamik gewinnende Bevölkerungsrückgang auch in Alverskirchen[5] keineswegs mehr aufgehalten werden kann, wollen die Entscheidungsträger an der jahrelang betriebenen „Kirchturmpolitik“ [6] festhalten.

Die Hoffnungen des Bürgermeisters und der Kommunalpolitiker, die naturzerstörerische Siedlungspolitik im naturnahen Freiraum am Ortsrand von Alverskirchen ungeniert fortsetzen zu können, ruhen aktuell auf einer „Lex Alverskirchen“ im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplans Münsterland. Danach soll das Dorf Alverskirchen zukünftig raumordnerisch als „Siedlungsfläche“ statt wie bisher als „Freifläche“ deklariert werden.[7]

Obwohl die Voraussetzungen zur Umwandlung eines dem Schutz des Regionalplans unterliegenden Eigenentwicklungsortseils in eine Siedlungsfläche in Alverskirchen weder im Hinblick auf die erforderliche Gewährleistung der öffentlichen noch der privaten Grundversorgung gegeben sind,[8] soll möglichst rasch eine entsprechende Änderung im Regionalplan erfolgen. [9]

Statt den individuellen Charakter des Dorfes Alverskirchen zu bewahren und die Lebensqualität der Einwohner zu erhalten, wird auf diese Weise zur Befriedigung von Partikularinteressen eine Klientel- und Lobbypolitik fortgesetzt, ohne die Folgen für die Allgemeinheit im Hinblick auf die soziale, wirtschaftliche oder gar ökologische Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

Die gebetsmühlenartige Erzählung, die Zukunft Alverskirchens hänge von der angebotsorientierten Ausweisung überdimensionierter Baugebiete ab, wird durch ständige Wiederholung kein bisschen wahrer. Sie stellt lediglich eine medienkompatible Formel des kollektiven Selbstbetrugs dar, ohne Aussicht, dem strukturellen Dilemma zu entkommen.

Einen Ausweg aus der Sackgasse, wie sie durch das unten stehende Bild symbolisiert wird, ist nur in Sicht, wenn die bisherige Politik der Nicht-Nachhaltigkeit[10] möglichst umgehend aufgegeben und insbesondere im Interesse der Alverskirchener Dorfbewohner durch eine am Gemeinwohl orientierte Strategie ersetzt wird.

Foto: Alfred Wolk

 

[1] Siehe vertiefend im Glossar das Stichwort „Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen“.
[2] Siehe vertiefend im Glossar das Stichwort „Bezirksregierung“.
[3] Siehe vertiefend im Glossar das Stichwort „Eigenentwicklung“.
[4] Vgl. OVG-Urteil vom 18. Oktober 2013, 10 D 4/11.NE, Seite 21. Abrufbar unter: OVG-Urteil
[5] Siehe vertiefend im Glossar das Stichwort „Bevölkerungsentwicklung Alverskirchen“.
[6] Siehe vertiefend im Glossar das Stichwort „Kirchturmdenken“.
[7] Siehe hierzu insbesondere den Beitrag: Bürgermeister verweigert Dialog mit Dorfbewohnern.
[8] Alverskirchen hat in den letzten Jahrzehnten ebenso wie zahlreiche andere kleine Dörfer starke Schrumpfungen im Bereich der Grundversorgung hinnehmen müssen. Beispielhaft sei hier nur auf die Schließung der Post, der Bank und Sparkasse, des Lebensmittelgeschäftes, der Hausarzt- und Zahnarztpraxis und nicht zuletzt der beiden Dorfgasthöfe verwiesen.
[9] Informationen zur Überarbeitung des Regionalplans finden sich auf der Internetseite der Bezirksregierung
[10] Zum Begriff der „Politik der Nicht-Nachhaltigkeit“ siehe Stephan Lessenich: Neben uns die Sintflut. Wie wir auf Kosten anderer leben. 3. Auflage Juli 2020, Seite 167.