Jonglieren mit Zahlen für Fortgeschrittene: Wunschgutachten II

Das im Auftrag der Gemeinde Everswinkel im Jahr 2015 erstellte Gutachten zur Ermittlung des Wohnungsneubaubedarfs der ortsansässigen Bevölkerung im Ortsteil Alverskirchen kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2020 trotz rückläufiger Bevölkerung aufgrund der Verkleinerung der Haushalte ein Bedarf an 17 zusätzlichen Wohnungen besteht. Bis zum Jahr 2030 wird sich dieser Bedarf voraussichtlich um weitere zwei Wohnungseinheiten erhöhen.

Zukünftiger Leerstand wird in Kauf genommen

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass der Gutachter 80% der in den nächsten Jahren durch Generationenwechsel in Alverskirchen an den Markt kommenden Einfamilienhäuser nicht berücksichtigt hat. Von den mindestens 50 Einfamilienhäusern, die im Prognosezeitraum frei werden, sind nur 20% (=10 Bestandsimmobilien) in Form einer sogenannten „Wiederbelegungsquote“ in das Bedarfsgutachten einbezogen worden. Die verbleibenden 40 Einfamilienhäuser erhöhen den zukünftig dynamisch anwachsenden Leerstand in den älteren Einfamilienhausgebieten.

Kein Wohnungsbedarf, sondern Wohnungsüberhang

Ohne die fiktive und in ihrer Höhe willkürlich eingefügte „Wiederbelegungsquote“ und einer sogenannten „Bleibequote, die ebenso den Ansprüchen eines plausiblen Bedarfsgutachtens nicht gerecht wird, ergibt sich ein prognostizierter Bedarf von -46 Wohneinheiten. Eine seriöse Bedarfsberechnung kommt somit zu dem Ergebnis, dass im Prognosezeitraum nicht zu wenig Wohnungen sondern zu viele Wohnungen vorhanden sind.

Ein kostspieliger Weg: Prognosen beliebig anpassen

„Nichts desto trotz halten wir es für sinnvoll und notwendig …in die Planungen für einen neuen Abschnitt im Königskamp einzusteigen. Einstieg bedeutet hier im ersten Schritt: Anpassung der Bevölkerungsprognosen … Die Vorgaben durch den Landesentwicklungsplan, die ich für falsch halte, sind hier sehr eng. Daher bleibt uns nur der kostspielige Weg mit vielen Gutachten alle Auflagen zu erfüllen“. [1] 

In der vorstehenden Haushaltsrede wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die naturzerstörerische Flächenpolitik der vergangenen Jahre im Ortsteil Alverskirchen auf jeden Fall fortgesetzt werden soll.Die Botschaft ist eindeutig: Entweder die Vorgaben des Landesentwicklungsplans werden geändert oder mit Hilfe eines erneuten „Wunschgutachtens“ wird die Grundlage für die Ausweisung weiterer Siedlungsfläche im Freiraum geschaffen.

In seiner Sitzung am 13. Juli 2017 hat die Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderats den Beschluss gefasst, ein weiteres Wohnungsbedarfsgutachten für den Ortsteil Alverskirchen in Auftrag zu geben. Das Wunschergebnis der erneuten Berechnung wurde im Beschlussvorschlag der Verwaltung zwar nicht schriftlich fixiert, es ist jedoch ein offenes Geheimnis: Das von der Verwaltung und der Mehrheit der Kommunalpolitiker erwartete Ergebnis entspricht exakt der zurzeit noch freien Fläche im „Königskamp“.

Links:
Leserbrief: Geschichte wiederholt sich
Kommentar: Petition an den Gemeinderat
Petition vom 04.07.2017

[1] Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion zur Verabschiedung des Haushalts 2017, gehalten in der Sitzung des Gemeinderates Everswinkel am 20.12.2016.