Der NABU veröffentlichte in seiner 32. Ausgabe der Zeitschrift „Naturzeit im Münsterland“ einen Artikel von Alfred Wolk zur Weigerung der Gemeinde Everswinkel, den Ökoausgleich für das Baugebiet „Königskamp III“ durchzuführen. [1]
Wer die Landschaft zu seinen Gunsten verändert, muss einen ökologischen Ausgleich schaffen und der Natur an anderer Stelle helfen. Wer Lebensraum z. B. durch die Ausweisung eines Baugebietes im bisher unbesiedelten Freiraum zerstört oder versiegelt, muss durch sogenannte Kompensationsmaßnahmen an anderer Stelle dafür sorgen, dass ein Gewinn für die Natur entsteht. Das ist ein Grundprinzip des Deutschen Naturschutzrechts. Dieses Prinzip gilt auch für die Gemeinde Everswinkel.
Eingriffsbilanzierung „Königskamp“
Mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 52 „Königskamp“ der Gemeinde Everswinkel wurde im Ortsteil Alverskirchen die Grundlage geschaffen für einen zerstörerischen Eingriff in den bisherigen Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten.[2] Der Verlust einer Kleingartenanlage, einer Streuobstwiese und zahlreicher einzeln stehender Bäume und Hecken etc. wurde in der im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erstellten Eingriffsbilanzierung mit 8.251 Biotopwertpunkten angesetzt.[3] In Höhe dieser Biotopwertpunkte, die häufig auch als Ökopunkte bezeichnet werden, sollte an anderer Stelle der Gemeinde ein Ausgleich stattfinden.
Fäll- und Schnittverbote nicht beachtet
Inmitten der sich vom 01. März bis 30. September eines jeden Jahres erstreckenden Phase der Fäll- und Schnittverbote für Bäume, Hecken und Sträucher[4] begann die Gemeinde Everswinkel am 01. August 2011 mit den Erschließungsarbeiten für das Baugebiet Königskamp.[5] Der von Verwaltung und Kommunalpolitikern gefeierte symbolische „erste Spatenstich“ bedeutete den Einstieg in eine für den Ortsteil Alverskirchen beispiellose Naturzerstörung.
Stolz verkündete der Bürgermeister einige Zahlen, die erahnen lassen, mit welcher Intensität in den Naturhaushalt des Plangebietes „Königskamp“ eingegriffen wurde: „Fast einen Kilometer Kanäle, 460 Meter Druckrohleitung und 2.500 Quadratmeter Baustraße stehen an. In der Erschließungsphase werden rund 8.700 Kubikmeter Erde für Kanäle und Straßen sowie 2.200 Kubikmeter fürs Regenrückhaltebecken bewegt“ teilte die Bauverwaltung mit.[6]
Verstoß gegen die Ziele der Raumordnung
Nach Beendigung der Erschließungsarbeiten und dem Beginn der Errichtung der ersten Einfamilienhäuser hob das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen im Oktober 2013 den Bebauungsplan Nr. 52 „Königskamp“ auf. Die Gemeinde hatte mit den Eingriffen in den naturnahen Freiraum gegen die Ziele der Raumordnung verstoßen.[7]
Aus eins mach zwei!
Da die Gemeinde Everswinkel weder den angerichteten Schaden an der Natur, noch die bereits durchgeführten Erschließungsarbeiten rückgängig machen konnte, entschloss sie sich, das bisher überdimensionierte Baugebiet „Königskamp“ in zwei Teilflächen als „Königskamp II“ und „Königskamp III“ neu zu überplanen.
Nach Angaben der Gemeindeverwaltung entfallen von den insgesamt 8.251 Biotopwertpunkten des ursprünglichen Plangebietes 4.328 Punkte auf den Bebauungsplan Nr. 56 „Königskamp II“ und die verbleibenden 3.923 Ökopunkte auf den Bebauungsplan Nr. 58 „Königskamp III“.[8]
Naturzerstörung soll belohnt werden
Im Rahmen der aktuellen Durchführung des Bebauungsplanverfahrens „Königskamp III“ teilte die Gemeindeverwaltung nun mit, dass sie die seinerzeit für dieses Teilgebiet in die Ökobilanz eingestellten 3.923 Ökopunkte wieder „ausgebucht“ habe und nicht bereit sei, den nach Bundesnaturschutzgesetz vorgesehenen ökologischen Ausgleich durchzuführen.[9]
Die Gemeinde Everswinkel bezieht sich in ihrer Begründung auf den im Jahr 2017 in das Baugesetzbuch eingeführten § 13 b.[10] Unter bestimmten Voraussetzungen soll nach dieser Bestimmung die Überplanung von Außenbereichsflächen erleichtert werden. Die Erleichterung besteht unter anderem darin, dass bei Anwendung des § 13 b BauGB auf eine Umweltprüfung und auf einen ökologischen Eingriffsausgleich verzichtet werden kann.
Ausverkauf der Landschaft erleichtert
Die Einfügung des zeitlich befristeten § 13 b BauGB stellt nichts anderes als ein „marktschreierisches Superangebot“ zum Ausverkauf der Landschaft dar, das inzwischen bundesweit zahlreiche Kommunen angenommen haben. Die Neuregelung des § 13 b BauGB verhält sich nicht nur kontraproduktiv zum gesamtgesellschaftlich propagierten Ziel des Flächensparens. Es konterkariert auch die Überlegungen zur ökologischen Nachhaltigkeit.
Auch Everswinkel will vom „Sonderangebot“ profitieren
Auch die Gemeinde Everswinkel glaubt durch den Rückgriff auf das „Sonderangebot“ des § 13 b BauGB ein „Schnäppchen“ machen zu können. Sie sieht hier die Chance auf den Ausgleich bereits in der Vergangenheit erfolgter Natureingriffe in Höhe von 3.923 Biotopwertpunkten verzichten zu können. Die Gemeinde Everswinkel ist der Ansicht, dass mit der Durchführung eines erneuten Bauleitverfahrens die im Rahmen des rechtswidrigen Bebauungsplans Nr. 52 „ Königskamp“ entstandene Verpflichtung eines ökologischen Ausgleichs hinfällig wird.
Aus den Regelungen des § 13 b BauGB ergibt sich allerdings nicht, dass auf Kompensationsmaßnahmen, die aufgrund bereits in der Vergangenheit erfolgter Eingriffe in die Natur entstanden sind, verzichtet werden kann.
Weiteren Verlust der Glaubwürdigkeit vermeiden
Mit dem hier an den Tag gelegten Verhalten verstößt die Gemeinde Everswinkel nicht nur erneut gegen ihre in sogenannten Leitbildern salbungsvoll selbst formulierten Ziele im Bereich Natur- und Klimaschutz.[11] Sie verliert auch weiter an Glaubwürdigkeit gegenüber den Bürgern, die einen Anspruch darauf haben, dass Eingriffe in die Natur möglichst vermieden werden. Ist ein Eingriff nicht vermeidbar, so erwarten die Bürger zu Recht von ihrer Kommune, dass ein ökologischer Ausgleich erfolgt.
Die Gemeinde Everswinkel wäre daher insbesondere auch im Interesse der nachfolgenden Generationen gut beraten, den Schutz der Umwelt endlich ernst zu nehmen. Im Fall des Bebauungsplans Nr. 58 „Königskamp III“ bedeutet dies, für die angerichteten gravierenden Schäden an der Natur ökologische Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen.
Link: Naturzeit im Münsterland.
[1] NABU (Herausgeber): Naturzeit im Münsterland, Das NABU-Magazin für die Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt, Warendorf und die Stadt Münster, 15. Jahrgang, 2. Halbjahr 2019, Nr. 32, Seite 32 f.
[2] Der Bebauungsplan Nr. 52 „Königskamp“ trat im Januar 2011 in Kraft.
[3] Gemeinde Everswinkel: Anlage 1 zur Vorlage 1/2019 zur Sitzung des Bezirksausschusses am 14.02.2019, Abwägungstabelle, Seite 12.
[4] Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG), § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen.
[5] Westfälische Nachrichten vom 02.August 2011: Geburt mit vielen Helfern.
[6] Ebenda.
[7] Oberverwaltungsgericht NRW, 10 D 4/11.NE vom 18.10.2013.
[8] Gemeinde Everswinkel: Anlage 1 zur Vorlage 1/2019 zur Sitzung des Bezirksausschusses am 14.02.2019, Abwägungstabelle, Seite 12.
[9] Ebenda, Seite 15.
[10] Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/5 2/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 04.05.2017 (BGBl. I S. 1057), in Kraft getreten am 13.05.2017.
[11] Vgl. z. B. Energieleitbild der Gemeinde Everswinkel.