Der „Fall Königskamp“

„Einen Fall wie den Königskamp in Alverskirchen dürfe es in Nordrhein-Westfalen nicht mehr geben“ berichteten die Westfälischen Nachrichten anlässlich einer von der örtlichen CDU durchgeführten Veranstaltung.[1] Im „Fall Königskamp“ wurde seinerzeit höchstrichterlich festgestellt, dass die Gemeinde Everswinkel im Ortsteil Alverskirchen über einen langen Zeitraum hinweg zum Schaden der Allgemeinheit im raumplanerisch geschützten Freiraum überdimensionierte Baugebiete ausgewiesen hatte. Bürgermeister und Kommunalpolitiker wollen mit ihrer auf „Flächenfraß“ ausgerichteten Politik den Folgen des auch im Münsterland spürbaren demographischen Wandels begegnen. Durch einen Ausverkauf der Natur zu Dumpingpreisen sollen vor allem junge Familien aus den Nachbarkommunen „angelockt“ werden.

Naturzerstörerische „Kirchturmpolitik“

Wer allerdings glaubt, dieser nach wie vor praktizierten naturzerstörerischen „Kirchturmpolitik“ werde nun Einhalt geboten, sieht sich getäuscht. Das in Nordrein-Westfalen landesweit an den Tag gelegte frevelhafte Verhalten zum Schaden der Natur soll zukünftig mit Hilfe eines sogenannten „Entfesselungspaketes“ der schwarz-gelben Landesregierung „legalisiert“ werden. Mit anderen Worten: Nach dem Willen der Landesregierung sollen Bürgermeister und Kommunalpolitiker das von den Richtern des Oberverwaltungsgerichts NRW im „Fall Königskamp“ angeprangerte Verhalten fortsetzen.

Eine aus egoistischen Motiven auf fortschreitenden Flächenverbrauch angelegte Politik muss das Ziel, die Natur vor allem im Interesse der nachfolgenden Generationen zu schützen, „zwangsläufig scheitern lassen“. Das war die eindeutige und unmissverständliche Feststellung des Oberverwaltungsgerichts im „Fall Königskamp“.[2]

Schutz der Natur braucht Regeln

Mit der „Lockerung“ der dem Schutz der Natur dienenden raumordnerischen Bestimmungen verfolgt die nordrhein-westfälische Landesregierung das selbst formulierte aberwitzige Ziel „Ökonomie vor Ökologie“. Eine sich kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen verpflichtete Politik sollte zur Kenntnis nehmen, dass auch eine Marktwirtschaft ohne politische Regulierung nicht auskommt. Der Schutz der Natur wird nicht durch die vielzitierten neoliberalen Kräfte des Marktes gewährleistet, sondern kann nur durch eine ausgleichende, im Interesse der nachfolgenden Genrationen Grenzen setzende Politik gewährleistet werden.

Ignoranz und Mutlosigkeit

Die Ignoranz, diese Wirkungszusammenhänge zur Kenntnis zu nehmen, und die Mutlosigkeit Zukunftsthemen nachhaltig anzupacken zeichnen nicht nur die Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene in Everswinkel und die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen aus. Auf allen politischen Ebenen ist eine zunehmende Ignoranz gegenüber der Wahrnehmung von Fakten erkennbar.

Vor allem im Hinblick auf die vielfältigen Folgen des demographischen Wandels und die kaum mehr zu leugnenden Folgen der Umweltzerstörung haben viele Politiker von ihrem „Recht auf Nichtwissen in extensiver Weise Gebrauch gemacht“. Für den Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg kommen wir „30 Jahre nach zwölf“. Die Bevölkerung wird dafür teuer bezahlen müssen.[3]

Der demographische Wandel ist Fakt und daher unausweichlich. Nur wer das erkennt und die Änderungen sieht, kann gestaltend eingreifen. Wer das nach wie vor nicht erkennen will, der wird früher oder später von der Wirklichkeit eingeholt.

[1] Westfälische Nachrichten, Artikel vom 09.06.2018: Keinen weiteren „Fall Königskamp“.
[2] Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.10.2013, 10 D   4/11, Seite 21.
[3] Vgl. Kösters, Wilfried: Weniger, Bunter, Älter. Den demografischen Wandel aktiv gestalten. 2. Auflage, München 2011, Seite 28 ff.