Bürgermeister verweigert Dialog mit Dorfbewohnern

„Demokratie als Zuschauersport“, so lautet ganz offensichtlich das Motto des Everswinkeler Bürgermeisters. Im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Einwohnerfragestunde“ wurde in der Sitzung des Gemeinderates am 10. Mai 2022 die Forderung eines Bürgers, die Öffentlichkeit nunmehr an dem bereits seit 2019 laufenden Regionalplananpassungsverfahren durch einen Austausch von Positionen und Meinungen zu beteiligen, vehement abgelehnt.

Bereits zu Beginn des Verfahrens hatte die Bezirksregierung, unter dessen Federführung die Änderung des Regionalplans erfolgt, die beteiligten Kommunen ausdrücklich aufgefordert, den Planungsprozess von Anfang an so transparent wie möglich zu gestalten und die interessierte Öffentlichkeit frühzeitig in die Planungen einzubeziehen.[1]

Selbstherrliche Entscheidung mit gravierenden Folgen

Dieser Forderung ist der Bürgermeister der Gemeinde Everswinkel bisher in keiner Weise nachgekommen. So wurde von ihm ohne Beteiligung des Gemeinderates und ohne Information der Öffentlichkeit bei der Planungsbehörde der Antrag gestellt, den bisherigen Eigenentwicklungsortsteil Alverskirchen im zukünftigen Regionalplan als Siedlungsfläche auszuweisen.

Die von ökonomischen Partikularinteressen geleitete, selbstherrlich getroffene Entscheidung des Bürgermeisters hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Alverskirchener Bevölkerung. Durch die regionalplanerische Deklarierung als Siedlungsfläche ist es zukünftig noch ungenierter als bisher möglich, überdimensionierte Baugebiete am Ortsrand auszuweisen. Ein immenser Verbrauch an bisher landwirtschaftlich genutzter Fläche mit erheblichen ökologischen Schädigungen sind ebenso wie die Zerstörung der dörflichen Struktur und damit ein Verlust an Heimat die unausweichlichen Folgen.

Machtmissbrauch und Hinterzimmerpolitik

In Anbetracht der Tatsache, dass die raumordnerische Umwidmung des Ortsteils Alverskirchen in einen Siedlungsbereich gravierende Veränderungen mit sich bringt, sollte eine frühzeitige Einbeziehung der Dorfbewohner und die Mitwirkung des Gemeinderates am Entscheidungsprozess selbstverständlich sein.

Statt Demokratie als grundlegendes Prinzip auf kommunaler Ebene zu praktizieren, offenbaren sich in Everswinkel Machtmissbrauch und Hinterzimmerpolitik im Umgang mit dem Regionalplanänderungsverfahren.

Eine von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Februar 2022 gestellte Anfrage[2] zu den bisherigen Beratungen mit der Regionalplanungsbehörde beantwortete der Bürgermeister entgegen den Bestimmungen der Gemeindeordnung lediglich im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung.[3] Dem interessierten Bürger wurde auf diese Weise zum wiederholten Male das berechtigte Interesse an Informationen verweigert.

Stillschweigende Duldung von Rechtsverstößen

Dass ein Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung bedeutet, wurde hier von der Mehrheit der Everswinkeler Kommunalpolitiker erneut stillschweigend in Kauf genommen.

Die widerspruchlose Akzeptanz von Rechtsverstößen verdeutlicht ebenso wie die Duldung des autokratischen Verhaltens des Bürgermeisters bei der Entscheidung, Alverskirchen als Siedlungsfläche auszuweisen, auf welchem Niveau sich die kommunalpolitische Kultur in Everswinkel inzwischen befindet.

Über Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung, wie sie die Beantragung der Ausweisung einer Siedlungsfläche im Rahmen der Änderung des Regionalplans zweifelsfrei darstellt, ist ein Beschluss des Gemeinderates herbeizuführen. Das ist eine originäre Aufgabe des kommunalpolitischen Parlaments. Erst mit dem in öffentlicher Sitzung gefassten Beschluss erhält der Bürgermeister die Befugnis und zugleich den Auftrag, mit einer entsprechenden Forderung an die Planungsbehörde heranzutreten.

Handeln ohne Auftrag – gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung

Ein einleitender Beschluss als Voraussetzung für den Einstieg in das beabsichtigte Änderungsverfahren ergibt sich sowohl aus den grundlegenden Prinzipien demokratischer Kommunalpolitik als auch aus dem von der Bezirksregierung Münster erstellten „Konzept für die Neudarstellung eines Allgemeinen Siedlungsbereichs in einem Ortsteil unter 2.000 Einwohnern“.[4]

Der bewusste Verzicht auf den einleitenden Ratsbeschluss durch den Bürgermeister und die Kommunalpolitiker wirft Fragen auf. Eine Antwort auf die sich aus diesem Fehlverhalten ergebenden vielfältigen Fragen ist ganz sicherlich, dass sie die diskursive Auseinandersetzung mit der Bevölkerung, zu deren Nachteil hier gehandelt wird, scheuen.

Die im Rahmen der Regionalplanänderung bisher in Everswinkel betriebene Form der Hinterzimmerpolitik, richtet sich gegen die Interessen der Mehrheit der Bewohner des Ortsteils Alverskirchen. Der Gemeinderat als politische Vertretung der Gemeindebürger verletzt hier in eklatanter Weise die Regelungen der Gemeindeordnung. Ebenso wie der Bürgermeister, der ohne den einleitenden Ratsbeschluss zur Umwandlung des Eigenentwicklungsortsteils Alverskirchen in einen Siedlungsbereich de facto ohne Auftrag handelt.

Kommunale Demokratie ist kein Selbstläufer

Welche Folgen es für die Gemeinde Everswinkel hat, wenn die kommunale Demokratie fortgesetzt mit Füßen getreten wird, kann sich erst in Gänze in der Zukunft zeigen. Vor dem Hintergrund des aufgezeigten Demokratiedefizits der handelnden Akteure wird jedoch schon heute deutlich, dass Demokratie in Everswinkel kein Selbstläufer ist. Sie sollte zur Gewährleistung kommunalpolitischer Entscheidungen, die dem Allgemeinwohl dienen, keinesfalls weiterhin als Zuschauersport praktiziert werden.

 

Siehe vertiefend:
Antrag im Rahmen der Einwohnerfragestunde
Beitrag: Perfide Kriegsrhetorik

[1] Die Bezirksregierung Münster hat eine Internetplattform eingerichtet, auf der interessierte Bürger Informationen zur Überarbeitung des Regionalplans abrufen können: https://www.bezreg-muenster.de/de/presse/2021/2021-01-14_regionalplanung_storymap/index.html
[2] Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Gemeinde Everswinkel gestellte Anfrage kann über folgenden Link abgerufen werden: https://gruene-everswinkel.de/userspace/NW/ov_everswinkel/Dokumente/2022.02-23_Schreiben_Bgm_Seidel_zum_Regionalplan.pdf
[3] Nach § 48 der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen sind die Tagesordnungspunkte einer Gemeinderatssitzung grundsätzlich öffentlich zu behandeln.
[4] Bezirksregierung Münster: Leitfaden für die Erstellung eines gesamtgemeindlichen Konzeptes für die Neudarstellung eines ASB in einem OT <2.000 EW, Seite 1.