Alverskirchen wird älter

Das Thema Alterung ist zwar seit einiger Zeit in der politischen Diskussion, es findet aber nicht auf allen Ebenen eine entsprechende Beachtung. Dabei ist die Debatte über eine älter werdende Gesellschaft nicht nur auf Bundes- und Landesebene von Bedeutung. Auch für eine zukunftsfähige Kommunalpolitik ist die Auseinandersetzung mit den altersstrukturellen Veränderungen der örtlichen Bevölkerung geradezu unabdingbar.

Ein von der Gemeinde Everswinkel für den Ortsteil Alverskirchen in Auftrag gegebenes Gutachten[1] offenbart einen demographischen Veränderungsprozess, der sowohl von den kommunalpolitischen Akteuren als auch von der dörflichen Gemeinschaft einen Abschied vom bisherigen Mantra der Wachstumsphilosophie erforderlich macht.

Das 2018 vorgelegte Gutachten bestätigt in geradezu exemplarischer Weise die seit langem bekannte strukturelle Entwicklungsproblematik, die insbesondere auch im überwiegend ländlich geprägten Münsterland zu verzeichnen ist: Die Bevölkerung schrumpft vielerorts und es kommt gleichzeitig zu einer beachtlichen Veränderung der Altersstruktur.

Der Altersaufbau der Bevölkerung ist einerseits ein Spiegel der Bevölkerungsprozesse der Vergangenheit, d.h. Ergebnis von Geburten und Sterbefällen sowie Zu- und Fortzügen über einen langen Zeitraum. Gleichzeitig beeinflusst die heutige Altersstruktur wesentlich die zukünftige Entwicklung. So lässt eine geringe Besetzung in den Altersjahrgängen der Frauen im Alter von etwa 20 bis unter 45 Jahren nur eine niedrige Geburtenzahl erwarten. Auf der anderen Seite führt ein hoher Anteil an älteren Menschen zu steigenden Sterbefällen.

Analyse der Vergangenheit

Zwar konnte die Bevölkerung in Alverskirchen in den letzten 10 Jahren noch relativ konstant gehalten werden, doch ist erkennbar, dass trotz der Ausweisung immer neuer Siedlungsflächen ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang eingesetzt hat. Die Dynamik der Verringerung der Bevölkerung wird sich aufgrund der auch in Alverskirchen seit langem zu geringen Geburtenrate in den nächsten Jahren fortsetzen.

Maßgeblich für nachhaltige kommunalpolitische Entscheidungen ist nicht allein die bloße Zahl der Einwohner, sondern auch deren Altersstruktur. Denn die Nachfrage nach kommunalen Leistungen ist auch vom Alter abhängig. So beeinflusst neben der sinkenden Einwohnerzahl der Alterungsprozess der Bevölkerung die qualitativen Erfordernisse an den Wohnungsmarkt.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die gravierenden altersstrukturellen Veränderungen im Zeitraum von 2008 bis 2017. Dem Rückgang in Höhe von 211 Personen in den Altersgruppen bis 49 Jahre steht eine Zunahme von 221 Personen in den Altersjahrgängen ab 50 Jahre gegenüber.

Tabelle 1: Analyse der Vergangenheit (Stützzeitraum 2008 bis 2017)[2]

Veränderung der Altersstruktur bis 2030

In den jüngeren Jahrgängen nehmen die Besetzungszahlen auch weiterhin kontinuierlich ab. So wird sich der Rückgang in der Altersgruppe der unter 10-Jährigen um 42 Kinder bis zum Prognoseende 2030 fortsetzen, was dann eine Verringerung von 113 Kindern oder nahezu einer Halbierung im Vergleich zum Beginn des Analysezeitraums im Jahr 2008 entspricht.

Auch die wohnungsmarktrelevanten Altersgruppen werden bis zum Ende des Prognosezeitraums deutlich von denen des Ausgangsjahres abweichen. Dies wird die Nachfragepotenziale nach Wohnungen stark beeinflussen, da besonders die für den Immobilienerwerb relevante Altersgruppe der 30- bis unter 49-Jährigen in den kommenden Jahren viel schwächer besetzt sein wird. Die Zahl der potenziellen Nachfrager nach Einfamilienhäusern aus dieser Altersgruppe wird bis 2030 um insgesamt 223 Personen bzw. 35% gesunken sein.

Die Zahl der über 60-Jährigen wächst dagegen weiter kräftig an. Bis zum Prognoseende wird voraussichtlich jeder Dritte Alverskirchener zu dieser Altersgruppe gehören. Von 2008 bis 2030 wird sich die Gruppe der über 60-Jährigen von 348 auf 601 Personen erhöht haben, was eine Zunahme von 248 Personen bzw. einen Anstieg um 68% bedeutet.

Tabelle 2: Vorausberechnung (Prognosezeitraum 2017 bis 2030)[3]

Voranschreitender Alterungsprozess unabwendbar

Die starke „Durchalterung“ Alverskirchens ist in Anbetracht der vergangenen 40 Jahre, in denen für eine Bestandserhaltung zu wenige Kinder geboren wurden und die Lebenserwartung sprunghaft gestiegen ist, nicht aufzuhalten. Auch Alverskirchen wird „weniger“ und „älter“.[4] Eine weiter abnehmende Bevölkerungszahl und eine sich weiter stark verändernde Altersstruktur werden in Alverskirchen die beiden wesentlichen Merkmale der zukünftigen demographischen Entwicklung sein. Einer immer geringeren Anzahl jüngerer Menschen wird eine immer größere Gruppe älterer Menschen gegenüberstehen.

Von einer schrumpfenden und sich gleichzeitig forcierenden Alterung der Bevölkerung ist nicht nur Alverskirchen betroffen. Es handelt sich um eine gesamtgesellschaftliche Entwicklungsproblematik, dies sich insbesondere auch im ländlichen Teil des Münsterlandes offenbart.

Abschied vom naturzerstörerischen Nullsummenspiel

Zahlreiche Kommunen in den Münsterlandkreisen reagieren auf die bedrohlich wirkenden demographischen Veränderungen mit einer ausgeprägten „Kirchturmpolitik“: Durch die Ausweisung immer neuer Baugebiete sollen junge Familien aus den Nachbarorten „angelockt“ werden.

Wie das Beispiel Alverskirchen zeigt, löst ein solches aus egoistischen Motiven angelegtes Verhalten die mit der Überalterung einhergehenden Probleme nicht. Weder der Rückgang, noch die Alterung der Bevölkerung sind damit aufzuhalten. Die Ausweisung immer neuer Siedlungsflächen auf der „grünen Wiese“ stellt lediglich ein großes Nullsummenspiel auf Kosten der Natur dar.


[1] Gemeinde Everswinkel: Gutachten „Wohnungsbedarf in Alverskirchen, Fortschreibung 2018“, (abrufbar unter: https://www.o-sp.de/everswinkel/plan?pid=38943).
[2] Die Daten für die Jahre 2008 bis 2011 wurden zusammengestellt aus: Gemeinde Everswinkel, Gutachten Bedarfsermittlung für den Wohnungsneubau im Ortsteil Alverskirchen der Gemeinde Everswinkel, März 2014.
Die Daten für die Jahre 2012 bis 2017 wurden zusammengestellt aus: Gutachten „Wohnungsbedarf in Alverskirchen, Fortschreibung 2018“, Variante „Minimale Eigenentwicklung“, Tabelle A 2, Seite 31.
[3] Die Daten wurden zusammengestellt aus: Gutachten 2018, ebenda.
[4] Eine gut lesbare Einführung in das Thema demographische Entwicklung bietet das Buch von Winfried Kösters: „Weniger, bunter, älter. Den demografischen Wandel aktiv gestalten.“