Dorfentwicklung

Die Entwicklung der Dörfer in ländlichen Räumen ist in den letzten Jahrzehnten gekennzeichnet durch einen Verlust an Versorgungsfunktionen und Arbeitsmöglichkeiten. Insbesondere die demografische Alterung und in etlichen Regionen auch Abwanderungsprozesse der Bevölkerung wirken sich auf das Dorfleben und die Tragfähigkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung und der Daseinsvorsorge aus. Die häufig erfolgten monofunktionalen Siedlungserweiterungen in Form von Neubaugebieten am Dorfrand forcierten gleichzeitig die Zunahme der reinen Wohnfunktion.

Bund und Länder stellen seit einigen Jahren verschiedene Instrumente zur Verfügung, um die grundlegenden Herausforderungen der anstehenden Dorfentwicklungsprozesse bewältigen zu können. Dabei stehen insbesondere bauliche wie auch soziale und funktionale Innenentwicklung im Fokus der finanziell geförderten Dorfentwicklungsstrategien.

Zahlreiche positive Beispiele belegen, dass es aktiven Dorfgemeinschaften gelingt, die strukturellen Veränderungsprozesse zu bewältigen. Der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit des Dorfes liegt häufig in der Aktivierung des traditionell stark vorhandenen bürgerschaftlichen Engagements und der hohen Bereitschaft zur Selbstorganisation. Das Engagement der lokalen Akteure für die Entwicklung ihres Dorfes soll unter anderem durch Wettbewerbe wie „Unser Dorf hat Zukunft“ angeregt und aufrechterhalten werden.

Auch in Alverskirchen, einem Dorf inmitten der Münsterländer Parklandschaft, sind die strukturellen Veränderungen unübersehbar. Anstatt mit der Umsetzung eines Dorfentwicklungskonzepts[1] unter breiter Bürgerbeteiligung den vielschichtigen Herausforderungen zu begegnen, wurde in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, insbesondere dem unausweichlichen Rückgang der natürlichen Bevölkerung vor allem durch die rechtswidrige Ausweisung überdimensionierter Baugebiete im naturnahen Freiraum entgegen zu treten.[2]

Obwohl der Bevölkerungsrückgang trotz der naturzerstörerischen Ausweisung immer neuer Bauflächen im bisher landwirtschaftlich genutzten Freiraum weiter voranschreiten wird[3], sehen die kommunalen Entscheidungsträger die Fortsetzung des „Ausverkaufs der Natur“ als alternativlos an. Unter der Überschrift „Ziele und Strategien der Gemeinde Everswinkel“ heißt es im Entwurf des Haushalts für das Jahr 2020: Um die Ortsentwicklung „voranzutreiben“ wird auch zukünftig die Ausweisung von Neubaugebieten in Alverskirchen angestrebt.[4] Nahezu zeitgleich wurde bekannt gegeben, dass der zur Förderung der kulturellen Tradition und der nachhaltigen Gestaltung des Dorfes konzipierte Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ bis auf weiteres in Alverskirchen ausgesetzt wird.[5]

Monotone Einfamilienhausgebiete am Ortsrand führen zu einer Überformung der ursprünglichen Dorfstruktur, die selbst im Ortskern auch in Alverskirchen kaum noch vorhanden ist. Letztlich ist der bekannte „Donut-Effekt“ unvermeidlich: Wohnen findet zukünftig in den Neubausiedlungen in den Randgebieten statt.[6]

Um die Zukunftsfähigkeit des Dorfes zu erhöhen sollte die kontraproduktive Ausweisung immer neuer Baugebiete abgelöst werden durch die Förderung von zentralen Wesensmerkmalen, die zur Identifikation der Bewohner mit ihrem Dorf beitragen. Überschaubarkeit, Kleinräumigkeit und die unmittelbare Naturnähe erfahren ebenso wie die Eigenart und Unverwechselbarkeit des Dorfes die besondere Wertschätzung durch alle Altersgruppen.

Diese Wertschätzung gilt es im Sinne einer zukunftsfähigen Dorfentwicklung zu erhalten.

[1] Zu den gescheiterten Bemühungen um ein Dorfentwicklungskonzept siehe den Beitrag „Dorfentwicklungskonzept Alverskirchen“.
[2] Vgl. z. B. den Beitrag "Ausweisung überdimensionierter Baugebiete"
[3] Anmerkung: Zur rückläufigen Bevölkerungsentwicklung trotz zahlreicher neuer Wohneinheiten siehe insbesondere „ Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans Nr. 58 „Königskamp III“.
[4] Vgl. Haushalt 2020, Seite 7.
[5] Artikel in den Westfälischen Nachrichten vom 04. Januar 2020: „Aussetzen ist ja kein Stillstand“.
[6] Siehe im Glossar das Stichwort „Donut-Prinzip“.