Lebensqualität erhalten – auch in Everswinkel

Vordringliche Aufgabe des Bürgermeisters und der Kommunalpolitiker ist es, durch zielorientierte Bemühungen die Wohn- und Lebensqualität der in der Gemeinde lebenden Bürger zu erhalten bzw. zu verbessern. Vor Ort, in der Gemeinde, wird die Grundlage geschaffen für ein Leben in einer intakten Umwelt und in einem sozialen Miteinander. Dabei hat die Kommunalpolitik das Miteinander der Bürger von heute zu gestalten und zugleich den Grundstein für morgen und übermorgen zu legen.

Entscheidung zum Nachteil der Bürger

Umso erstaunlicher ist es, wenn Bürgermeister und Kommunalpolitiker Entscheidungen treffen, die zu einer gravierenden Verschlechterung der Lebensqualität der Bürger in ihrer Gemeinde führen.

Der vom Rat der Gemeinde Everswinkel gefasste Beschluss, eine 6,2 Hektar große Siedlungsfläche am Ortsrand für die Bebauung mit überwiegend Ein- und Zweifamilienhäusern auszuweisen, führt zu erheblichen Beeinträchtigungen für die Menschen, das Klima und die Natur in Everswinkel. Die Lebensqualität der vor Ort lebenden Menschen wird verschlechtert, für heute und für morgen.

Fadenscheinige Begründung

In dem Baugebiet „Bergkamp III“, das etwa 1.000 Meter vom Ortskern entfernt entstehen soll, plant die Gemeinde Everswinkel den Bau von rund 158 Wohneinheiten, mit denen vor allem die angebliche „Wohnungsnot“ in den Oberzentren Münster und Hamm gelindert werden soll.[1]

Hinweise, weshalb der Wohnungsbedarf in der ca. 30 Kilometer Entfernung liegenden Stadt Hamm auf einer zum Teil im regionalplanerischen Freiraum liegenden Fläche der Gemeinde Everswinkel befriedigt werden soll, finden sich in der Begründung zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 59 „Bergkamp III“ nicht. Die Stadt Hamm bezeichnet den örtlichen Wohnungsmarkt als entspannt und ist selbst in der Lage ihren Bürgern bei Bedarf Baugrundstücke zu Verfügung zu stellen.[2]

Auch die Stadt Münster ist vor dem Hintergrund eines eigenen umfassenden Baulandprogramms nicht auf die „Hilfestellung“ der Gemeinde Everswinkel angewiesen. 1.749 im Jahr 2019 fertiggestellte und weitere 3.516 bereits genehmigte und zum Großteil im Bau befindliche Wohnungen sorgen zeitnah für eine Entlastung des Münsterschen Wohnungsmarktes.[3]

Altes Muster: Ökonomie vor Ökologie

Vor diesem Hintergrund wird die Alibifunktion der zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 59 „Bergkamp III“ angeführten Begründung deutlich. Tatsächlich geht es in erster Linie um die Befriedigung kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen. Die Gemeinde Everswinkel folgt mit der erneuten Ausweisung eines überdimensionierten Baugebietes dem vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten ausgegebenen Motto „Ökonomie vor Ökologie“ und schnürt damit sozusagen ihr eigenes „Entfesselungspaket“ zur Zerstörung der Natur.[4]

Mit der Ausweisung des Baugebiets „Bergkamp III“ durch die Gemeinde Everswinkel wird der Fehlentwicklung im Hinblick auf die Ziele zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme weiter Vorschub geleistet. Zugleich werden die propagierten Maßnahmen sowohl zum Klima- als auch zum Umwelt- und Naturschutz konterkariert.

Handlungsanleitung zur Umweltzerstörung

Die von der Gemeinde veröffentlichten Ausführungen zum Bebauungsplan Nr. 59 „Bergkamp III“ lesen sich wie eine Handlungsanleitung zur Maximierung der Umweltzerstörung auf kommunaler Ebene mit den sich daraus ergebenden vielfältigen Nachteilen.

Der im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans erstellte Umweltbericht verdeutlicht in alarmierender Weise die Beeinträchtigungen für Menschen, Tiere, Pflanzen und Klima. Die im Folgenden angeführten Beispiele lassen das Ausmaß der gravierenden Schädigungen nur erahnen:

Lärm/Verkehr
Die Verkehrsuntersuchung ergab eine prozentual relativ hohe Zunahme der Kfz-Frequenzen in den Straßen um mehr als 25%. Durch den Kfz-Verkehr entsteht Lärm und es werden Stäube und Schadstoffe freigesetzt. Straßenbeleuchtungen verursachen Lichtemissionen.[5]

Die Untersuchung hat weiter ergeben, dass in einigen Teilgebieten bereits jetzt die Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Je geringer der Abstand zur Sendenhorster Straße, desto größer ist die Überschreitung der Orientierungswerte und umso größer sind damit die schalltechnischen Beeinträchtigungen der Bewohner.[6]

Wasser
Der chemische Gesamtzustand des Grundwasserkörpers ist mit schlecht bewertet. Trotz der Belastungen aus diffusen Quellen und der Landwirtschaft wird der Grundwasserkörper zur Trinkwassergewinnung genutzt. Dem Schutzgut Grundwasser wird aufgrund der Trinkwassergewinnung eine hohe Bedeutung zugeordnet.

Das Schutzgut Wasser wird durch das Baugebiet weiter beeinträchtigt. Durch die Versiegelung der bisherigen Freiflächen kommt es zu einem erhöhten Oberflächenabfluss und einer verringerten Grundwasserneubildungsrate. Diese Umweltauswirkungen verändern den Bodenwasserhaushalt. Der betriebsbedingte Fahrbetrieb des Wohngebiets sorgt ebenfalls für Emissionen.[7]

Tiere
In dem geplanten Baugebiet sind betrachtungsrelevante geschützte Brutvögel und Fledermäuse nachgewiesen.

Von den insgesamt 30 erfassten Vogelarten sind 18 als Brutvögel im Untersuchungsgebiet zu werten.[8]

Durch die Entwicklung der Fläche als Wohnbebauung wird im Eingriffsbereich der Brutplatz von einem Feldlerchenrevier in Anspruch genommen und geht dauerhaft verloren.[9]

Für das Untersuchungsgebiet sind mindestens sechs Fledermausarten nachgewiesen. Alle nachgewiesenen Arten sind auf der Roten Liste der gefährdeten Säugetiere Nordrhein-Westfalens als mindestens gefährdet aufgeführt.[10]

Durch die geplante Bebauung ist mit einer Störung des betrachteten Fledermausraumes zu rechnen.[11]

Boden und Fläche
Die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen stehen als Bestandteil der bäuerlichen Kulturlandschaft nicht mehr zur Verfügung.

In dem künftigen Baugebiet wird die Straßenverkehrsfläche zu 100% versiegelt, während die Wohnbauflächen eine maximale Versiegelung von 60% aufweisen können.[12]

Klima und Luft
Dem Freilandklima wird im Bereich des Bebauungsplans eine hohe Bedeutung für die Kühlung und Frischluftversorgung zugeordnet.[13]

Durch die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 59 geht grundsätzlich eine Freifläche dauerhaft für eine Bebauung mit den entsprechenden Auswirkungen auf das lokale Klima verloren.[14] Aufgrund der Versiegelung und Bebauung der Flächen im Geltungsbereich kommt es zu thermischen Belastungen des Klimas. Die versiegelten Flächen sowie die Gebäude sorgen für eine stärkere Erwärmung am Tag und für eine verringerte Abkühlung in der Nacht. Ebenso werden die Durchlüftung und die Kaltluftproduktion herabgesetzt. Die dauerhafte Versiegelung von Freifläche ist als erheblich zu betrachten.[15]

Im Hinblick auf den überörtlichen Klimaschutz führt die Neuausweisung von Bauflächen zu Beeinträchtigungen durch die Versiegelung der Flächen und das höhere Verkehrsaufkommen.[16]

Wechselwirkungen
Die oben genannten Schutzgüter stehen in Wechselwirkung zueinander. Veränderungen die ein Schutzgut betreffen, können sich auf andere auswirken.

Durch die baubedingten Eingriffe kommt es zu  kleinräumigen Verlusten von Biotopen, womit wiederum Lebensräume für Tiere verloren gehen. Die Versiegelung des Bodens verändert die klimatische Aktivität der Flächen (Kaltluftentstehung) und damit auch die Lebensräume für Tiere und Pflanzen.

Die Artenzusammensetzung im Geltungsbereich wird durch diese Veränderungen beeinflusst.[17]

Appell an Bürgermeister und Kommunalpolitiker

Der Umweltbericht zum Bebauungsplan „Bergkamp III“ zeigt, in welch erschreckendem Maße die Widerstandsfähigkeit der Natur, die ohnehin schon um ihr Überleben kämpft, weiter untergraben und die Lebensqualität der Bürger verschlechtert wird.

Als Anklage und gleichzeitig als Appell an den Bürgermeister sowie die Kommunalpolitiker ist die Formulierung in einer Stellungnahme im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung im Bebauungsplanverfahren zu verstehen:

„Jeder weiß: Lärm und Feinstaub sind gesundheitsschädlich, aber in Everswinkel scheint das die Gemeinde und den Bürgermeister nicht zu interessieren, obwohl dieses Thema bundesweit im Fokus steht.

Wir sind vor 30 Jahren nach Everswinkel gezogen, in ein beschauliches Dorf, heute ist da leider nicht mehr viel von übrig.

Wir können uns eigentlich nicht vorstellen, dass es im Interesse der Politik der Gemeinde sein kann, dass lang ansässige Einwohner mit dem Gedanken spielen, Everswinkel wieder zu verlassen, da das Leben hier an der „Autobahn“ nicht mehr lebenswert ist.“[18]

Ein gutes soziales Miteinander, eine lebenswertes Wohnumfeld, eine gute öffentliche Daseinsvorsorge bei Bildung, Gesundheit, Kultur und Mobilität – all das macht eine hohe Lebensqualität aus.

Der Bürgermeister und die Kommunalpolitiker sollten also Entscheidungen vermeiden, in deren Folge die Lebensqualität der Menschen in der Gemeinde Everswinkel verschlechtert wird.

 

[1] Gemeinde Everswinkel: Begründung mit Umweltbericht zum Bebauungsplan Nr. 59 „Bergkamp III“, Entwurf, Januar 2020, Seite 9.
[2] Stadt Hamm: Handlungskonzept Wohnen und Pflege 2025, Seite 65.
[3] Stadt Münster, Presse- und Informationsamt: Rekordwert beim Bauüberhang, Pressemitteilung vom 29. Januar 2020.
[4] Anmerkung: Zum Begriff „Entfesselungspaket“ siehe insbesondere Beitrag vom 19. Januar 2018.
[5] Gemeinde Everswinkel: Begründung mit Umweltbericht …, ebenda, Seite 23.
[6] Ebenda, Seite 38.
[7] Gemeinde Everswinkel: Umweltbericht gem. § 2 Abs. 4 BauGB mit integrierter Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung zum Bebauungsplan Nr. 59 „Bergkamp III“ und zur 36. Flächennutzungsplan-Änderung, Dezember 2019, Seite 22.
[8] Ebenda, Seite 15.
[9] Gemeinde Everswinkel: Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag Stufe II (ASP) zum Bebauungsplan 59 „Bergekamp III“ der Gemeinde Everswinkel, Oktober 2019, Seite 36.
[10] Gemeinde Everswinkel: Umweltbericht …, ebenda, Seite 15.
[11] Gemeinde Everswinkel: Artenschutzrechtlichere Fachbeitrag …, ebenda, Seite 8.
[12] Gemeinde Everswinkel: Umweltbericht …, ebenda, Seite 22.
[13] Ebenda, Seite 19.
[14] Gemeinde Everswinkel: Begründung mit Umweltbericht …, ebenda, Seite 49.
[15] Gemeinde Everswinkel: Umweltbericht …, ebenda, Seite 22.
[16] Gemeinde Everswinkel: Begründung mit Umweltbericht …, ebenda, Seite 49.
[17] Gemeinde Everswinkel: Umweltbericht …, ebenda, Seite 23.
[18] Gemeinde Everswinkel: Vorlage 30/2019, Anlage 3, Seite 18 f.