Das Thema nachhaltige Siedlungsentwicklung sollte stärker als bisher in den Focus der Öffentlichkeit gerückt werden. Grund ist der nach wie vor auf einem zu hohen Niveau verharrende tägliche Flächenverbrauch bei landesweit langfristig schrumpfender Bevölkerung.
Deutschland braucht einen Paradigmenwechsel in der Flächenpolitik: Boden ist kostbar und muss geschont, Flächenverbrauch vermieden werden. Wer Verantwortung für Kinder und Enkel übernehmen will, wer generationengerechte Politik anstrebt, kann die ruinöse Inanspruchnahme von Böden nicht länger akzeptieren. Das entspricht der Intention nachhaltiger Politik, wie sie die Brundtland Kommission schon 1987 formuliert hat: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“
Durch einen verschwenderischen Umgang mit unbebauter Landschaft, der nicht notwendigen Bebauung, Versiegelung und Zersiedlung wird der Lebensraum für Tiere und Pflanzen weiter eingeschränkt. Landschaft und Naturräume werden auf unnatürliche Weise zerteilt, auch lokal nimmt die Biodiversität ab. Auf Dauer schädigt dies nicht nur ländliche Räume, sondern das Land insgesamt.
Radikaler Kurswechsel notwendig
Deshalb ist ein radikaler Kurswechsel in der kommunalen Flächenpolitik notwendig. Neubaugebiete in Außenbereichen sollten in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung grundsätzlich nicht mehr genehmigt werden. Flächenschutz sollte stärker als bisher gesetzlich verankert werden. Die Beseitigung der „Vollzugsdefizite“ bei der Einhaltung der Bestimmungen im Landesentwicklungsplan und Regionalplan zur Einhaltung der Begrenzung von Neubaugebieten ist zwingend erforderlich.
Ein solcher Kurswechsel ist aber in der kommunalen Politik sehr konfliktträchtig, denn es ist eine radikale Abkehr von Erfolgsrezepten der Vergangenheit. Jahrzehntelang konnten Politiker mit der Ausweisung von Neubaugebieten Wahlen gewinnen.
Die Ausweisung neuer Baugebiete ist aufgrund des demographischen Wandels aber nur noch in wenigen Ausnahmefällen notwendig. Demographischer Wandel verspricht aber aus der Sicht der Kommunalpolitiker keine Siege, sondern vorwiegend Negativmeldungen. Schrumpfen, Altern und Rückbauen sind keine Themen, die erfolgsorientierte Politikerinnen und Politiker zu großen Taten animieren.
Weil dies so ist, vermeiden Kommunalpolitiker das sperrige Thema, wo sie können. Sie sind in der Regel nicht bereit, sich der Wahrheit zu stellen. Es wird aber in Zukunft nicht mehr möglich sein, sich diesen Realitäten einer sich wandelnden Gesellschaft zu verweigern.
Demographischer Wandel bietet Chancen
Demographischer Wandel findet statt. Er ist kein Phänomen von morgen, sondern Realität heute. Damit müssen sich insbesondere Kommunalpolitiker auseinandersetzen und ihre „kommunale Wachstumspolitik“ überdenken. Ein „Weiter-so“ im Hinblick auf die Ausweisung immer neuer Baugebiete bedeutet nichts anderes als „Schadenwachstum“.
Im Kern geht es um die Frage, wie wir morgen leben wollen, wenn eine Gesellschaft schrumpft und altert.
Aber der demographische Wandel ist nicht nur ein Problem. Er bietet auch Chancen, und er eröffnet neue Perspektiven. Vielleicht trägt er sogar zur Entschleunigung und zu einem angenehmeren Lebensumfeld bei.
Demographischer Wandel soll nicht passiv erlitten, sondern offensiv gestaltet werden. Die Zukunft gehört denen, die neu denken, die Zukunft gehört denen, die Mut zum Handeln unter veränderten Bedingungen haben.
Nachhaltigkeit zunehmend wichtiger
Das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei zunehmend eine wichtige Rolle. Die Prioritäten der Politik müssen sich verschieben im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Systeme, auf Generationengerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit. Vorsorgende und nachhaltige Kommunalpolitik zeichnet sich durch kontinuierliche Pflege ökologischer Grundlagen aus. Dazu zählen insbesondere der schonende Umgang mit Grund und Boden und das ernsthafte Bemühen, den „Flächenverbrauch“ zu reduzieren.
Momentan ist jedoch leider ein falscher Trend zu beobachten: So herrscht in deutschen Kommunen die Neigung vor, mit kurzfristigem Aktionismus auf demographische und wirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren. Statt langfristig Ziele abzustecken, versuchen nicht wenige Kommunen durch das „Anlocken von jungen Familien“, gegenüber Wettbewerbern kurzfristig Vorteile zu erzielen. Meist stehen nicht Kooperation, sondern Konkurrenzstrategien im Vordergrund. Nur so ist es zu erklären, dass es uns nach wie vor nicht gelingt, den Siedlungsflächenverbrauch nachhaltig zu reduzieren.
Der Versuch, durch Konkurrenz und Dumpingverhalten zu Lasten Dritter Veränderungen zu vermeiden, ist zum Scheitern verurteilt, weil er zu Ressourcenverschwendung, Verdrängungseffekten, Frustrationen und zu ökonomischen und ökologischen Krisen führt, die von nachfolgenden Generationen zu bewältigen sind.
Diese Politik ist nicht zukunftsorientiert. Es handelt sich vielmehr um planloses, unkoordiniertes Durchwursteln, um einen Wettbewerb nach dem Muster „jeder gegen jeden“, den langfristig niemand gewinnen kann. Der große Verlierer ist bei einem weiterhin ungezügeltem Siedlungsflächenverbrauch die Natur.
Durch ein solches Verhalten rauben wir unseren Kindern und Enkeln – wenn wir sie denn haben – Lebens- und Entwicklungsperspektiven. Wir werden durch dieses Verhalten zu „Zukunftsdieben“.