Auch in Everswinkel sind die typischen Merkmale des demographischen Wandels zu verzeichnen: Es sterben mehr Menschen als Kinder geboren werden. In den aktuell vorliegenden Bevölkerungsprognosen bis 2030 verzeichnet die Gemeinde Everswinkel einen Bevölkerungsrückgang von 3%. Während die Zahl der jungen Menschen kontinuierlich abnimmt, steigt der Anteil der über 60-Jährigen stark an.[1]
Der demographische Wandel hat erhebliche Auswirkungen auf die Ausnutzung der Infrastruktur und die Finanzen der Gemeinde. Es ist daher die Frage zu beantworten, wie wir morgen leben wollen, wenn die Bevölkerung schrumpft und altert.
Mehrheit setzt auf überholte „Rezepte“
Verwaltung und Kommunalpolitiker in Everswinkel sind jedoch nach wie vor nicht bereit, sich mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen. Vielmehr glaubt die Mehrheit der Entscheider immer noch an das Erfolgsrezept vergangener Zeiten: Durch die Erschließung immer neuer Baugebiete am Ortsrand soll mit Beton eine vermeintlich gute Zukunft gebaut werden.
Fortsetzung der Kirchturmpolitik
Obwohl in den vergangenen Jahren Einfamilienhäuser weit über den Bedarf gebaut wurden[2], weist die Gemeinde Everswinkel mit dem Baugebiet „Bergkamp III“ aktuell wieder ein Baugebiet aus, das erneut zum weit überwiegenden Teil eine Bebauung mit Einfamilienhäusern vorsieht. Der Bürgermeister und die Mehrheit der Kommunalpolitiker wollen mit der Ausweisung dieses Baugebietes vor allem um die Gunst von Bauwilligen aus den Nachbarkommunen buhlen und damit die interkommunale Konkurrenz im Kampf um die schrumpfende Bevölkerung verschärfen.
Diese Form der Kirchturmpolitik führt nicht nur zu einer weiteren Naturzerstörung am Ortsrand, sondern belastet auch den seit Jahren defizitären kommunalen Haushalt durch ein weiteres Ansteigen der Infrastrukturfolgekosten.
Verkehrschaos wird erhöht, Wohnqualität verringert
Mit der Entscheidung für das Baugebiet „Bergkamp III“ tragen Bürgermeister und Gemeinderat auch gleichzeitig zur Erhöhung der Pendlerströme – insbesondere nach Münster – und zur Vergrößerung der innerörtlichen Verkehrsproblematik bei. Vor allem das Verkehrschaos auf der Bergstraße (Nord-Süd-Achse) wird weiter verschlimmert.[3] Seit Jahren ist das gravierende Verkehrsproblem an dieser Stelle ungelöst.
Im Rahmen einer 65.000 € teuren Machbarkeitsstudie reifte zwar bereits 2006 bei den Kommunalpolitikern der Gedanke, durch den Bau einer sog. „Ringstraße“ für eine Entlastung des örtlichen Straßennetzes zu sorgen. Damit sollte die Verkehrssicherheit im Dorf erhöht und mehr Wohnumfeldqualität durch eine zielgerichtete Verkehrsführung erreicht werden.
Allerdings beschloss der Gemeinderat 2009 einstimmig, sich vom Projekt „Ringstraße“ zu verabschieden. Die angedachte große Umgehung ist damit gestorben. Das Ende einer Idee, die das wachsende Verkehrsproblem auf der Nord-Süd-Achse lösen sollte, wurde von Verwaltung und Kommunalpolitikern „nach reiflicher Überlegung“ zugunsten der wirtschaftlichen Interessen eines örtlichen Arbeitgebers begraben.[4] „Kein Geld, keine Grundstücke, keine Chance“, lautete seinerzeit die offizielle Begründung.
Lösung des Verkehrsproblems auf den Sankt- Nimmerleins-Tag verschoben
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass immer mehr Bürger ihren Unmut über die stetig steigende Verkehrsbelastung in Folge einer konzeptlosen Siedlungspolitik zum Ausdruck bringen. Völlig unverständlich sind dagegen die Antworten, die den verärgerten und vom Verkehrslärm geplagten Bürgern gegeben werden: Es gelte bei allen Überlegungen auch die vor Jahren diskutierte Ringstraße im Hinterkopf zu behalten und die Planungen mit einzubeziehen, „denn wir können nicht wissen, was vielleicht in 20 oder 30 Jahren ist“.[5]
Mit derartigen Aussagen versuchen Verwaltung und Kommunalpolitiker zu suggerieren, eine Lösung des seit langem bekannten Verkehrsproblems, das durch ein stetig wachsendes Verkehrsaufkommen von Jahr zu Jahr größer wird, sei in Sicht. Tatsächlich wird das Problem auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.
Paradigmenwechsel erforderlich
Eine Politik, die aus Furcht vor der Auseinandersetzung mit Stagnation und Schrumpfung weiter auf die naturzerstörerische Ausweisung überdimensionierter Baugebiete und die damit einhergehenden zusätzlichen Verkehrsbelastungen setzt, ist nicht zukunftsorientiert. Sie führt zu ökonomischen und ökologischen Belastungen, die von den nachfolgenden Generationen zu bewältigen sind.
Der demographische Wandel muss auch in Everswinkel zu einem Paradigmenwechsel führen. Im Interesse einer nachhaltig wirksamen, generationengerechten Kommunalpolitik ist ein weiterer Flächenverbrauch durch Neubaugebiete im Außenbereich nicht zu verantworten. Er ist weder sachlich geboten noch ökonomisch und ökologisch vertretbar.
[1] Vgl. Gemeinde Everswinkel: Begründung zum Bebauungsplan Nr. 55 „Möllenkamp III“ vom 19.11.2014, Seite 3.
[2] Vgl. hierzu den Artikel vom 03. September 2017: https://alfred-wolk.de/im-kreis-warendorf-wird-zu-viel-gebaut/#more-1106
[3] Westfälische Nachrichten vom 23 November 2018: „Knackpunkt Verkehr“, Kommentar zum geplanten Everswinkeler Baugebiet „Bergkamp III“.
[4] Westfälische Nachrichten vom 15. Oktober 2009: „Projekt Ringstraße begraben.“
[5] CDU-Fraktion Everswinkel in: Westfälische Nachrichten vom 26. September 2013, Artikel „Everswinkel soll weiter wachsen“.