Postdemokratische Entscheidungsfindung statt diskursiver Bürgerbeteiligung

Vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher und demografischer Rahmenbedingungen ist es aktuell dringender denn je, eine nachhaltige gemeindliche Entwicklung anzustreben, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen miteinander in Einklang bringt.[1] Statt jedoch, wie es die einschlägigen raumordnerischen Bestimmungen vorsehen, eine flächensparende Entwicklung zu priorisieren, soll in Everswinkel und Alverskirchen der bisher betriebene „Flächenfraß“ auch in Zukunft unvermindert auf Kosten der Natur fortgesetzt werden.

Obwohl der Gemeinde Everswinkel im Rahmen des aktuellen Regionalplanänderungsverfahrens ein Siedlungs- und Gewerbeflächenpotenzial zugebilligt wird, dass ein Vielfaches des tatsächlichen Bedarfs überschreitet, zweifelt die Gemeindeverwaltung an der „Auskömmlichkeit“ dieser überdimensionierten Flächenzuweisung, um das angedachte „Entfesselungsprogramm“ realisieren zu können. Laut Aussage im Ausschuss für Planung, Umwelt und Klimaschutz soll hierüber noch mal diskutiert werden.[2]

Selbstherrliche Entscheidung des Bürgermeisters

Keinesfalls diskutiert werden soll dagegen über die Frage, ob Alverskirchen im Regionalplan zukünftig als Siedlungsfläche ausgewiesen und mit entsprechenden Werbemaßnahmen insbesondere gut betuchten Münsteranern „preiswerte“ Baugrundstücke angeboten werden sollen. Auf Antrag des Bürgermeisters wird die bisherige Sonderstellung, mit der Alverskirchen weitgehend vor der Zerstörung der dörflichen Struktur geschützt wurde, aufgehoben. [3]Diese Entscheidung, mit der die Gemeinde erneut gegen raumordnerische Zielsetzungen verstößt[4], wurde ohne die Beteiligung der Bürger und ohne Zustimmung des Gemeinderates selbstherrlich vom Bürgermeister getroffen.

Teilhabe der Bürger konsequent verweigert

Statt die Bürgerinnen und Bürgern in einem diskursiven Beteiligungsprozess zu motivieren, an einem für die Dorfbewohner so zukunftsweisen Beschluss teilzunehmen, wurde vom Bürgermeister eine postdemokratische Entscheidungsfindung bevorzugt, bei der die Bürger passiv bleiben und keine störenden Gegenargumente zugelassen sind. Selbst die Auseinandersetzung mit einer im Rahmen der Gemeindeordnung eingebrachten Petition wurde bisher verweigert.[5]

Vasallentreue der Kommunalpolitiker

Die Mehrheit der Kommunalpolitiker folgt  dabei in Vasallentreue den Wünschen des Bürgermeisters und macht sich auf diese Weise zum Steigbügelhalter überwiegend wirtschaftlicher Interessen. Die Wahrnehmung der Interessen der Bürger, für die die Kommunalpolitiker ursprünglich gewählt wurden, tritt in den Hintergrund. Die Verschlechterung der Lebensqualität durch stetig steigenden Verkehrslärm und die weitere Zerstörung der Natur sind dabei als Kollateralschäden von den Dorfbewohnern widerspruchslos hinzunehmen.

Zeitgemäße kommunale Demokratie sieht wahrlich anders aus.

Anmerkung: Der vorstehende Beitrag wurde am 13. Juli 2023 in der Tagszeitung „Westfälische Nachrichten“ als Leserbrief von Alfred Wolk veröffentlicht. Titel des Leserbriefes: Selbstherrliche Entscheidung ohne Bürger

[1] Vgl. § 1 Abs. 5 Baugesetzbuch.
[2] Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Klimaschutz der Gemeinde Everswinkel vom 06. Juni 2023.
[3] Anmerkung: Der Ortsteil Alverskirchen, ist in dem bisher gültigen Regionalplan als sogenannte „Freifläche“ deklariert, so dass Siedlungsflächen nur für den Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung ausgewiesen werden dürfen.
[4] Nach dem Landesentwicklungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen dürfen „Eigenentwicklungsortsteile“ nur ausnahmsweise regionalplanerisch in einen Siedlungsbereich umgewidmet werden. Fehlen zwingend erforderliche Infrastruktureinrichtungen ist die Umwidmung von der Bezirksregierung zu verweigern. Die Bezirksregierung Münster legt die maßgeblichen Bestimmungen offenbar aufgrund des  Einflusses interessierter Lobbygruppen recht willkürlich aus, nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein Richter“.
[5] Anmerkung: Am 12. April 2023 wurde die Petition „Lebensqulität in Alverskirchen erhalten“ eingereicht. Abrufbar unter: https://alfred-wolk.de/wp-content/uploads/2023/04/2023-04-12-Petition.pdf