„Frontalangriff auf den Bürgermeister“ lautete die reißerische Überschrift am 12. Mai 2022 zur Berichterstattung über die Sitzung des Rates der Gemeinde Everswinkel.[1] Die Leser sollten ganz offensichtlich bei der Information über einen äußerst sachlich absolvierten Tagesordnungspunkt durch den Rückgriff auf ein kriegsrhetorisches Vokabular von vornherein in eine ganz bestimmte Richtung gedrängt werden.
In der „Einwohnerfragestunde“ hatte der Bürger Alfred Wolk von seinem in der Geschäftsordnung der Gemeinde Everswinkel verbrieften Recht Gebrauch gemacht[2] und den Bürgermeister lediglich gebeten, im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplans in einen von gegenseitiger Wertschätzung, Offenheit und Transparenz geprägten Diskurs einzutreten. Da der Bürgermeister bisher eine öffentliche Diskussion des nunmehr seit zwei Jahren laufenden Regionalplanänderungsverfahrens verweigert hatte, lautete die konkrete Frage: „Weshalb scheut der Bürgermeister der Gemeinde Everswinkel die öffentliche Auseinandersetzung um die Fortschreibung des Regionalplans?“[3]
„Basta-Politik“ statt Basisdemokratie
Eine sachlich fundierte Feststellung und eine klar formulierte Frage wurden im Stile eines klassischen „Basta-Politikers“ abgetan. Der Bürgermeister gab lediglich zu verstehen, dass er das so mache, wie er das wolle. Und ergänzend an den Fragesteller gerichtet „Ob Ihnen das gefällt, müssen Sie selbst entscheiden.“[4]
Wer aber eine einfache Antwort auf eine berechtigte Frage verweigert, hat hierfür einen Grund. In diesem Fall fühlte sich der Bürgermeister offenbar bei einem Machtmissbrauch und Rechtsverstoß ertappt.
Was also tun in einer solchen Situation?
Vom Fehlverhalten ablenken
Es soll auf jeden Fall verhindert werden, dass das Fehlverhalten des Bürgermeisters thematisiert und publik gemacht wird.
Deshalb ist es wichtig, den Bürger, der eine von der Mehrheitsmeinung abweichende Position vertritt oder zur Einhaltung geltenden Rechts auffordert, in den Focus zu nehmen und ihn möglichst zu diffamieren und ihn selbst öffentlichkeitswirksam als Normverletzter zu behandeln. Ziel ist es, den „renitenten Bürger“ in den „Griff“ zu bekommen.[5]
Mit einem dem Militär entlehnten Vokabular wie beispielsweise „Kampf auf breiter Front“[6], „Querschüsse“[7] „Grabenkämpfe“[8], oder „hart ins Visier genommen“[9] wurde auch in der Vergangenheit vom Bürgermeister und der Mehrheit der Kommunalpolitiker immer wieder der Versuch unternommen, eine kriegerische Auseinandersetzung zu suggerieren. Die fiktive Inszenierung eines Kriegsgeschehens ermöglicht die Verwendung der mit dem Krieg assoziierten Moralbegriffe „Gut“ und „Böse“.
„Kampf um die Zukunft“
Auf der einen Seite befinden sich der Bürgermeister und die Kommunalpolitiker als „die Guten“. „Wir kämpfen für unsere Zukunft“ lautet der propagandistische Slogan.[10] Wie in einem richtigen Krieg sollen zur Erreichung des selbstgesteckten Ziels die Regeln, die in Friedenszeiten gelten, ausgehebelt werden dürfen. Folgerichtig sollen auch Machtmissbrauch und Rechtsbrüche gerechtfertigt sein.
Dem steht auf der anderen Seite der „böse“ Bürger gegenüber, der mit seiner Forderung auf Einhaltung des bestehenden Rechts, den „Weg in die Zukunft versperrt“.[11] Er streut mit seinen berechtigten Einwänden „Sand ins Getriebe“[12] und „torpediert“[13] auf diese Weise „das Wohl des ganzen Ortsteils“.[14]
Den „frechen“ Untertan zurechtstutzen
Die vorstehend verwendeten Zitate stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus einer ganzen Palette des auf kommunalpolitischer Ebene in Everswinkel in den vergangenen Jahren verwendeten Kriegsvokabulars dar.
Obwohl weit und breit kein Feind in Sicht ist, kein einziger Soldat auf einen anderen schießt und das alles mit Krieg nichts zu tun hat, wird eine dramatisierende Metaphorik verwendet.
Es wird höchste Gefahr signalisiert, die einen entschlossen Kampf gegen einen Bürger erforderlich macht, der es in der Vergangenheit immer wieder einmal gewagt hat, auf dysfunktionale Zustände aufmerksam zu machen.
In Jahrtausenden wurde der „freche“ Untertan zurechtgestutzt oder einen Kopf kürzer gemacht. Heute sind die Methoden subtiler. Durch einen von persönlichen Diffamierungen geprägten destruktiven Diskurs und der Schaffung eine Mikroklimas, in dem unausgeprochen mit sozialer Ächtung gedroht wird, soll der zum Agressor erklärte Bürger dazu gebracht werden, sich von seinen demokratisch legitimierten Beteiligungsrechten zu verabschieden.
Der Kriegsbeschwörung widerstehen
Wer die Grundprinzipien kommunalpolitischer Demokratie akzeptiert, kann auf die Verwendung eines „kriegsrhetorischen“ Vokabulars verzichten. Auch in Everswinkel sollte die Ausübung von Gewalt durch den missbräuchlichen Gebrauch von Sprache gegenüber Bürgern, die lediglich die Einhaltung geltenden Rechts fordern, möglichst rasch der Vergangenheit angehören.
Der Versuch, durch „Kriegsrhetorik“ Kommunalpolitik zu betreiben widerspricht dem Leitgedanken der Demokratie fundamental.
Durch die Forderung, das bestehende Recht den Vorstellungen der kommunalpolitischen Entscheidungsträger in Everswinkel anzupassen, statt die Everswinkeler Kommunalpolitik dem geltenden Recht anzupassen, wird die Demokratie als grundlegendes Prinzip ad absurdum geführt.
Siehe vertiefend auch:
Beitrag: Bürgermeister verweigert Dialog mit Dorfbewohnern
Antrag im Rahmen der Einwohnerfragestunde
[1] Westfälische Nachrichten vom 12. Mai 2022: Frontalangriff auf den Bürgermeister.
[2] Geschäftsordnung der Gemeinde Everswinkel in der Fassung der 13. Änderung, § 9: Anfragen/Bürgeranhörung.
[3] Siehe Antrag im Rahmen der Einwohnerfragestunde, abrufbar unter: https://alfred-wolk.de/wp-content/uploads/2022/05/Forderung-nach-Buergerbeteiligung.pdf.
[4] Westfälische Nachrichten vom 12. Mai 2022: Frontalangriff auf den Bürgermeister.
[5] CDU Everswinkel/Alverskirchen (Herausgeber): Flugblatt „schwarz auf weiss“, Ausgabe 01/Juli 2016.
[6] Westfälische Nachrichten vom 24. September 2014: Steiniger Weg zum Baugebiet.
[7] Westfälische Nachrichten vom 28. Januar 2017: Wachwechsel zur Prime-Time.
[8] Westfälische Nachrichten vom 13. Juni 2020: Highlights, Zukunftsperspektiven und die Ur-Oma.
[9] Westfälische Nachrichten vom 06. September 2012: Vorläufige Schadensbilanz.
[10] Die Glocke vom 17. März 2014: „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ ist spürbar.
[11] Westfälische Nachrichten vom 06. September 2012: Vorläufige Schadensbilanz.
[12] Westfälische Nachrichten vom 23. Mai 2014: Verfahren in der Verlängerung.
[13] Westfälische Nachrichten vom 06. September 2012: Kurioser Widerstand.
[14] Westfälische Nachrichten vom 28. Dezember 2014: Nüchterne Analyse und beißende Kritik.