Etikettenschwindel

„Pflege und Kosmetik mit der Säge“ lautete die Überschrift eines Artikels auf der Lokalseite Everswinkel der „Westfälischen Nachrichten“ vom 15. Februar 2017. Berichtet wurde von Baumschnitt-Maßnahmen auf einer außerhalb des gültigen Bebauungsplans liegenden Freifläche im Bereich Königskamp im Ortsteil Alverskirchen. Dem Leser soll der Eindruck vermittelt werden, es seien routinemäßig anfallende Gehölzarbeiten durchgeführt worden. Allein mit den Begriffen „Pflege“ und „Kosmetik“ im Titel des Artikels soll der Leser etwas Positives assoziieren.

Bei genauerer Betrachtung stellen sich „Pflege“ und „Kosmetik“ allerdings als Naturfrevel übelster Art dar. Streuobstbäume, die andernorts mit viel Wertschätzung als wertvolles Kulturgut erhalten werden, wurden in Alverskirchen sinnlos der Kettensäge geopfert.

Der Bericht über „Gehölzpflegemaßnahmen“ entpuppt sich als schlichter „Etikettenschwindel“. Die Begriffe „Irreführung, Täuschung, Ablenkungsmanöver, Bluff, Schmierentheater“ werden im Duden als Synonyme genannt. Sie verdeutlichen, dass nicht mit offenen Karten gespielt wird. Oder mit einer Redewendung ausgedrückt: Dem Leser soll „ein „X für ein U vorgemacht werden“.

Neben wildem Aufwuchs sei unter anderem auch ein alter Birnbaum entfernt worden, heißt es in dem Artikel der „Westfälischen Nachrichten“. „Nun ließen sich die Flächen wieder einfacher unterhalten“, teilte die Gemeindeverwaltung mit.

Bei dem gerodeten Birnbaum handelte es sich um ein über 80 Jahre altes kerngesundes Prachtexemplar. Der Baum stand auf einer mehrere tausend Quadratmeter großen Freifläche niemandem im Weg. Die Unterhaltung der Fläche durch die Gemeinde bestand in den vergangenen Jahren darin, eventuell einmal im Jahr das unter dem Baum stehende Gras zu mähen. Um das maximal jährlich durchzuführende Mähen zukünftig zu erleichtern, wurden nun von der Gemeindeverwaltung Everswinkel keine Kosten und Mühen gescheut, einen schützenswerten Streuobstbaum mit der Kettensäge zu zerstören.

Auf zwei angrenzenden Grundstücken, die sich im Eigentum der katholischen Kirche befinden, wurden unter anderem ein Walnussbaum, ein Kirschbaum, ein Apfelbaum und ein Mirabellenbaum gefällt. Laut Bericht in den „Westfälischen Nachrichten“ hatte der Kirchenvorstand im vergangenen Herbst beschlossen, die Holzfällerarbeiten durchzuführen, da es „Anfragen für die Erbbaugrundstücke“ gegeben habe.

Bei den Erbbaugrundstücken handelt es sich ebenso wie bei dem Gemeindegrundstück um Flächen, die im Flächennutzungsplan als „Flächen für die Landwirtschaft“ ausgewiesen sind, also keineswegs kurzfristig zur Verfügung stehendes Bauland. Nach den derzeit gültigen Bestimmungen darf im Ortsteil Alverskirchen neues Bauland nur ausgewiesen werden, wenn der Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung vorhanden ist. Ein aktuell von der Gemeindeverwaltung in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Bedarf an zusätzlichen Wohneinheiten bis zum Jahr 2030 gedeckt ist.

Obwohl aus heutiger Sicht vollkommen unklar ist, ob eine Bebauung der Grundstücke jemals in Frage kommt, hat der Kirchenvorstand den Beschluss gefasst, durch das Entfernen der Obstbäume bereits heute möglichen Interessenten ein baureifes, sprich „streuobstfreies“ Grundstück zu präsentieren.

Abschließend stellt sich die Frage, weshalb ein solch frevelhaftes Verhalten, wie es Gemeindeverwaltung und Kirchenvorstand in Alverskirchen durch das sinnlose Abholzen von Streuobstbäumen an den Tag gelegt haben, durch einen Bericht in der Tageszeitung als „Pflege“ und „Kosmetik“ bezeichnet wird?

 

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