Das Rederecht für Personen, die nicht Mitglieder im Gemeinderat sind, stellt ein regelmäßiges Element der Einbeziehung der Einwohnerschaft in kommunalpolitische Erörterungsprozesse dar. Nach der Geschäftsordnung der Gemeinde Everswinkel erhalten Bürger im Rahmen der sogenannten „Einwohnerfragestunde“ zu Beginn jeder Ratssitzung maximal fünf Minuten Redezeit, um sich aktiv in Angelegenheiten ihrer Kommune einbringen zu können.[1]
In der Sitzung des Gemeinderates am 27. Februar 2024 machte Alfred Wolk von seinem Rederecht Gebrauch und appellierte an die Kommunalpolitiker, die Planungen für das Industriegebiet „Everswinkel Nord“ in Anbetracht des sich abzeichnenden ökologischen und finanziellen Desasters aufzugeben.
Redebeitrag von Alfred Wolk im Rahmen der Einwohnerfragestunde in der Sitzung des Gemeinderates am 27. Februar 2024
Gewerbegebiete stehen für großflächige Inanspruchnahme und Versiegelung von Fläche mit nachteiligen Folgen für Ökosysteme und Klima. Vor dem Hintergrund der aktuellen Natur- und Klimakrise, ist es daher geradezu unerlässlich, neue Gewerbeflächen möglichst umweltverträglich und nachhaltig zu entwickeln.
Umso unverständlicher sind daher für mich als kommunalpolitisch interessierten Bürger die aktuellen Entwicklungen in Sachen Gewerbeflächenausweisung in Everswinkel:
Durch eine Erweiterung des Gewerbegebietes „Grothues“ könnte ein möglicherweise entstehender Bedarf an Gewerbeflächen in Everswinkel für die nächsten Jahre gedeckt werden. Diese sowohl unter städtebaulichen, als auch unter fiskalischen Gesichtspunkten sinnvolle Arrondierung wird jedoch vom Bürgermeister und der Mehrheit der Kommunalpolitiker mit fadenscheinigen Begründungen außer Acht gelassen.
Stattdessen soll um jeden Preis mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 60 „Gewerbegebiet Everswinkel Nord“ eine bisher im planerischen Außenbereich liegende Fläche in der Größe von 10,9 ha in Anspruch genommen werden.[2]
Die kommunalpolitischen Entscheidungsträger sehen es als unerlässlich für die Zukunft Everswinkels an, auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen einen gewerblich-industriellen Bereich zu entwickeln, in dem insbesondere „Unternehmen mit einem hohen Störpotenzial untergebracht werden können“.[3]
Dem Bürgermeister und der Mehrheit des Gemeinderates ist es offenbar ein besonderes Anliegen, Betriebe anzusiedeln, die erheblich belästigende Faktoren wie Lärm, Gerüche, Luftschadstoffe oder Staub erzeugen.
Da die Wohn- und Lebensqualität der Bevölkerung von Immissionseinflüssen jeglicher Art abhängig ist und Industriebetriebe mit „hohem Störpotenzial“ möglicherweise zu spürbaren Beeinträchtigungen führen, erfolgten die bisherigen kommunalpolitischen Entscheidungen im klassischen Stil der „Hinterzimmerpolitik“.
Mit ihrem weder der Gemeindeordnung noch demokratischen Gepflogenheiten entsprechenden Entscheidungsgebaren hoffen der Bürgermeister und die Kommunalpolitiker ganz offensichtlich darauf, Widerspruch aus der Bevölkerung zu vermeiden.
Die gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtete und mit erheblichen negativen Einflüssen auf Natur und Umwelt behaftete Ausweisung des „Gewerbegebietes Everswinkel Nord“ stellt darüber hinaus eine erhebliche Belastung für den kommunalen Haushalt dar.
Für den Ankauf der 10,9 ha großen Flächen und die Anbindung des Gewerbegebietes an das Verkehrsnetz sind bisher knapp 8 Millionen €[4] im kommunalen Haushalt berücksichtigt worden. Hinzu kommen die Erschließungskosten, so dass sich ein Finanzierungsbedarf von weit über 10 Millionen € ergibt.
Allein die für die Kreditfinanzierung erforderlichen Zinsen belasten den Everswinkeler Haushalt zukünftig mit jährlich rund 300.000 €. [5] Dieser Betrag fehlt zwangsläufig zur Finanzierung von Leistungen für die Everswinkeler Bevölkerung.
In Anbetracht des ökologischen und finanziellen Desasters und in Anbetracht der mit der Realisierung des Gewerbegebiets einhergehenden Verschlechterung der Lebensqualität der Everswinkeler Bevölkerung sollte auf die Ausweisung des Industriegebietes im Norden von Everswinkel verzichtet werden.
Vertiefend siehe:
Gerwerbeflächen Everswinkel: Klotzen statt Kleckern
Leserbrief: Gier nach Gewerbeflächen
[1].Geschäftsordnung der Gemeinde Everswinkel: § 9 Anfragen/Bürgeranhörung.
[2] Gemeinde Everswinkel: Sitzung des Gemeinderates am 21. Juni 2023, Vorlage 50/2023.
[3] Gemeinde Everswinkel: Sitzung des Gemeinderates am 12. September 2023, Vorlage 72/2023, Anlage 4, Seite 3.
[4] Im Haushalt bewilligte Beträge für den Grunderwerb:
2.800.000 € siehe Haushalt 2022, Seite 44.
600.000 € siehe Haushalt 2023, Seite 46.
500.000 € siehe Haushalt 2024, Seite 44.
Im Haushalt bewilligte Beträge für die Anbindung des Gewerbegebietes:
180.000 € siehe Haushalt 2024, Seite 45.
3.500.000 € siehe Haushalt 2024, Auszahlung für 2026 vorgesehen, Seite 46.
Im Haushalt berücksichtigter Betrag für den Ökoausgleich:
350.000 € siehe Haushalt 2024, Seite 49.
Gesamtbetrag der bisher im kommunalen Haushalt berücksichtigten Zahlungen = 7.930.000 €.
[5] Angenommener Zinssatz 3%, angenommenes Kreditvolumen 10.000.000 €.