Intention der Gemeindeordnung NRW
Laut Gemeindeordnung ist für die Mitwirkung im Gemeinderat oder in kommunalpolitischen Ausschüssen lediglich die Vollendung des 18. Lebensjahres Voraussetzung. Ein besonderer Befähigungsnachweis ist für die kommunalpolitische Tätigkeit nicht erforderlich. Mitmachen kann also grundsätzlich jeder Volljährige, der sich für Kommunalpolitik interessiert und sich ehrenamtlich für seine Mitbürger engagieren möchte. Anstelle eines gewählten Ratsmitgliedes können auch sachkundige Bürgerinnen oder Bürger in einen Ausschuss entsandt werden. Sie ersetzen dann ein Ratsmitglied mit vollem Rede- und Stimmrecht in dem Ausschuss, in den sie entsandt werden.
Die Teilnahme von sachkundigen Bürgern aus allen Kreisen und Gruppierungen der Bevölkerung an der Kommunalpolitik ist ausdrücklich erwünscht. Die kommunalen Vertretungen sollen ein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellen. Sie bilden damit ein wesentliches Fundament unserer Demokratie. Durch das Engagement von sachkundigen Bürgern wird ein unverzichtbarer Beitrag für das Wohlergehen der Allgmeinheit geleistet.
Interpretation der Gemeindeordnung in Everswinkel
In einem Leserbrief[1] bringt Dr. Joachim Wegener zum Ausdruck, dass die Gemeindeordnung NRW in diesem Punkt in Everswinkel keine Anwendung findet. Kommunalpolitsch interessierten Mitbürgern, die sich offen dazu bekennen, dass sie mit den bestehenden Verhältnissen nicht einverstanden sind, soll der Zugang zur aktiven Mitarbeit in Gremien der Gemeinde Everswinkel verweigert oder zumindest erschwert werden.
Aktuell hatten in Everswinkel die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen die Verwaltung gebeten, im Rahmen einer fraktionsinternen Personalveränderung, zukünftig Frau Schniggendiller als stellvertredende sachkundige Bürgerin in den Ausschuss für Familien und Soziales zu entsenden. Die Mitglieder der örtlichen CDU-Fraktion und der Bürgermeister hatten bereits in der letzten Sitzung des Hauptausschusses zum Ausdruck gebracht, dass sie die kommunalpolitische Mitwirkung von Frau Schniggendiller nicht für opportun halten. Als Begründung hatten sie angeführt, die von den Grünen vorgeschlagene sachkundige Bürgerin habe in der Vergangenheit „die CDU mehrmals zu verschiedenen Themen heftig angegriffen“ und sich damit für die Teilnahme am kommunalpolitischen Leben in Everswinkel diskreditiert.
Auch der Leserbriefschreiber Dr. Wegener schließt sich dieser wohl landesweit einmaligen Interpretation der Gemeindeordnung an. Vor dem Hintergrund ihrer „Entgleisungen“ in der Vergangenheit sieht er nicht, „in welchem Bereich auch immer Frau Schniggendiller als sachkundige Bürgerin zu akzeptieren ist“.
Die Mitglieder der CDU-Fraktion bestätigten in der aktuellen Sitzung des Gemeinderates ihre ablehnende Haltung gegenüber Frau Schniggendiller. Der CDU-Fraktionsvorsitzende machte erneut deutlich, dass Kritik an der Mehrheitspartei in Everswinkel nicht ohne Folgen bleibe.[2] Die „Deutungshoheit“ über die Ausgestaltung der Demokratie und die Auslegung von Recht und Gesetz habe aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat ausschließlich die örtliche CDU.
Schlussfolgerungen
Wer sich zukunftig für ein kommunalpolitsches Ehrenamt in der Gemeinde Everswinkel bewerben möchte, sollte sich frühzeitig einem Gesinnungstest des Bürgermeisters und der örtlichen CDU unterziehen. Nur nach Erteilung eines „Persilscheins“ kann eine Bewerbung eingereicht werden, ohne dass sie die für den Bewerber ortsüblichen persönlichen negativen Konsequenzen nach sich zieht.
Ob es unter diesen Voraussetzungen in Everswinkel in Zukunft möglich sein wird, bei einer hinreichenden Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern die Bereitschaft zur Übernahme eines kommunalpolitischen Mandats zu wecken, bleibt abzuwarten.
[1] Leserbrief in den „Westfälischen Nachrichten“ vom 30.03.2017: Qualifikation nicht zu erkennen.
[2] Artikel in den „Westfälischen Nachrichten“ vom 01.04.2017: Atmosphärische Störungen