Sichtbehinderung durch Werbetafel

Die Gefahrensituation im Einmündungsbereich Wiemstraße/Telgter Straße im Ortsteil Alverskirchen der Gemeinde Everswinkel ist der Verwaltung und den Kommunalpolitikern seit langem bekannt. Seit 2013 beschäftigen sich die kommunalpolitischen Gremien immer wieder mit dem Gefahrenpotenzial in diesem Bereich.[1] Möglichkeiten zur Erhöhung der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer in dem sensiblen Kreuzungsbereich wurden zwar mehrfach thematisiert, eine Umsetzung angedachter Umbaumaßnahmen aber auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Gemeinde obliegt Verkehrssicherungspflicht

Zur verkehrlichen Sicherung der Querungs- und Abbiegevorgänge von der gemeindeeigenen Wiemstraße in die vielbefahrene übergeordnete Landstraße L 811 (Telgter Straße) ist neben der Umsetzung der geplanten Umbaumaßnahme[2] die Gewährleistung einer freien Sicht im Kreuzungsbereich erforderlich.

Mit der Freihaltung eines sogenannten Sichtdreiecks soll es den am Fahrbahnrand wartenden Kraftfahrzeugen ermöglicht werden, bevorrechtigte Kraftfahrzeuge aus ausreichender Entfernung zu erkennen. Gleichzeitig soll aber auch das Einbiegen der Wartepflichtigen frühzeitig von bevorrechtigen Kraftfahrern erkannt werden.[3]

Die einschlägigen Bestimmungen sehen im Bereich Wiemstraße/Telgter Straße aufgrund der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ein Sichtdreieck vor, durch das eine freie Anfahrsicht von 70 Metern in beide Richtungen ermöglicht wird.[4]

Wiederholt hatte die Gemeindeverwaltung in der Vergangenheit auf die Notwendigkeit der Einhaltung der vorgegebenen Sichtdreiecke aufmerksam gemacht. So erläuterte ein Mitarbeiter der Verwaltung den Kommunalpolitikern in einer Sitzung des Bezirksausschusses Alverskirchen ausführlich einige Maßnahmen, mit denen die freie Sicht innerhalb der notwendigen Sichtdreiecke garantiert werden soll.[5] Ausdrücklich wurde betont, „die Gemeinde müsse tätig werden, weil sie in der Verkehrssicherungspflicht stehe und notfalls hafte“.[6] Um den Aussagen Nachdruck zu verleihen wurde auch auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen für die Einhaltung von Sichtdreiecken hingewiesen: Straßen- und Wegenetz NRW, die Richtlinien für die Anlage von Straßen, § 823 des BGB (Schadenersatzpflicht) und die Verordnung über Kreuzungsanlagen öffentlicher Straßen.[7]

Trotz Baumfällung keine freie Sicht

Im November 2018 wurden die Kommunalpolitiker von der Gemeindeverwaltung darüber informiert, dass im Bereich Wiemstraße/Telgter Straße zwei am Straßenrand stehende Bäume die freie Sicht beeinträchtigen. „Die beiden Platanen … müssten gefällt werden, …da sie im Sichtdreieck von der untergeordneten Wiemstraße auf die Landesstraße zur Blickrichtung Norden stehen und dieses mehr und mehr abdecken.“[8]

Rund 15 Monate später wurden die beiden Bäume mit einem Durchmesser von 45 bzw. 50 cm im Februar 2020 gefällt.

Eine ebenfalls im Sichtdreieck stehende Werbetafel mit einer Breite von 1,20 m und einer Höhe von 3,50 m, auf deren Sichtbehinderung seit 2013 mehrfach hingewiesen wurde, durfte an ihrem Platz verbleiben, da erst Gespräche mit den Gewerbetreibenden geführt werden müssten.[9]

Trotz Baumfällung – freie Sicht Fehlanzeige.

Rechtswidriger Beschluss schränkt Sicht weiterhin ein

Der vorläufige Höhepunkt in der unendlichen Geschichte zur Gewährleistung der freien Sicht in einem stark frequentierten Kreuzungsbereich ist die Entscheidung von Verwaltung und Kommunalpolitikern, die Gefahrensituation bis auf unbestimmte Zeit weiter aufrecht zu erhalten.[10]

In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Klimaschutz bestätigten sich die Kommunalpolitiker erneut gegenseitig, dass durch das Werbeschild die Sicht der Verkehrsteilnehmer eingeschränkt wird. Ein in den Ausschuss eingebrachter Antrag, „möglichst unverzüglich die Werbetafel zu entfernen, um den Gefahrenbereich zu entschärfen und somit die Verkehrssicherheit der Verkehrsteilnehmer an dieser vielbefahrenen Straße zu gewährleisten“[11], fand allerdings keine Zustimmung.

Hoffen auf Anordnung der Bezirksregierung

Die bewusste Entscheidung für den zumindest vorläufigen Verbleib einer im Sichtdreieck befindlichen Werbetafel stellt eine Missachtung des Straßenverkehrsrechts dar. Weder der Verwaltung noch den Kommunalpolitikern steht das Recht zu, bestehende Regeln, die der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer dienen, nach Belieben außer Kraft zu setzten.

Zum anderen ist das Wohlergehen der Bürger ganz sicher höher einzuschätzen, als das Interesse an einem Gewerbeschild, dessen Notwendigkeit in einer Zeit, in der jeder LKW-Fahrer mit Hilfe eines leistungsfähigen Navigationsgerätes an sein Ziel gelenkt wird, bezweifelt werden darf.

Es bleibt zu hoffen, dass die Bezirksregierung Münster als obere Straßenaufsichtsbehörde[12] möglichst zeitnah anordnet, dass die zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Kreuzungsbereich Wiemstraße/Telgter Straße notwendigen Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist durchgeführt werden.

weiterführende Links:
Orientierungshilfe Sichtdreieck (Informationsbroschüre des Kreises Warendorf)

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Beseitigung eines Gefährundspotenzials

 

 

[1] Vorlage 074/2013 der Gemeinde Everswinkel zur Sitzung des Bezirksauschusses Alverskirchen am  09. Juli  2013.
[2] Vorlage 080/2018 der Gemeinde Everswinkel zur Sitzung des Bezirksausschusses Alverskirchen am  27. November 2018.
[3] Vgl. Richtlinien für die Anlage von  Stadtstraßen (RASt 06,  Kapitel 6.3.9.3 ).
[4] Siehe Orientierungshilfe „Sichtdreiecke“ des Kreises Warendorf, abrufbar unter : https://www.kreis-warendorf.de/w1/fileadmin/50/Sichtdreiecke_Ansicht.pdf
[5] Sitzung des Bezirksausschusses Alverskirchen vom 14. Februar 2019, Tagesordnungspunkt 3 des öffentlichen Teils.
[6] Artikel in den Westfälischen Nachrichten vom 16. Februar 2019: Sicherstellung von Sichtdreiecken könnte viele Bäume kosten.
[7] Ebenda.
[8] Vorlage 80/2018 der Gemeinde Everswinkel zur Sitzung des Bezirksausschusses am 28. November 2018.
[9] Vgl. Niederschrift der Sitzung des Bezirksausschusses vom 27.  Mai 2021.
[10] Vgl. Artikel in den Westfälischen Nachrichten vom 07. Juni 2021: Umstellung kann noch etwas dauern.
[11] Vgl. Antrag der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04. Mai 2021 zur Entfernung eines Werbeschildes an der Einmündung Wiemstraße auf die Telgter Straße, abrufbar unter:  https://gruene-everswinkel.de/userspace/NW/ov_everswinkel/Dokumente/2021.05-04_Antrag_Einmuendung_Wiemstrasse.pdf
[12] Laut § 54 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) ist die Bezirksregierung als obere Straßenaufsichtsbehörde für die Überwachung der Sicherheit an den Ortsdurchfahrten der  Landesstraßen zuständig.