Misslungener Start in die neue Ratsperiode

Die konstituierende Sitzung des neu gewählten Stadt- bzw. Gemeinderates wird üblicherweise von den Bürgermeistern und den Kommunalpolitikern genutzt, um den Wunsch nach einem sachlichen, kollegialen Miteinander für die neue Ratsperiode zum Ausdruck zu bringen. Eine gute Kultur des Miteinanders wird in der Regel als Richtschnur für das gemeinsame Handeln angestrebt, um das Beste für die Gemeinschaft und nicht für Teile oder Einzelpersonen zu erreichen.[1]

Aufschlussreiche Generalprobe

Die Chance für die  Schaffung einer Grundlage, auf der durch Meinungsvielfalt und fairen politischen Diskurs ein Wettbewerb um Ideen entsteht, durch die das Beste für die Gemeinschaft gewährleistet werden soll, wurde gleich in der ersten Sitzung des Everswinkeler Gemeinderats leichtfertig vertan.

Als aufschlussreiche Generalprobe für die Frage, wie der Bürgermeister und die CDU den demokratischen Austausch mit den Vertretern der anderen Parteien praktizieren wollen, gestaltete sich die konstituierende Sitzung des Gemeinderates zu Beginn der neuen Ratsperiode in Everswinkel. Unmissverständlich wurde in der Sitzung zum Ausdruck gebracht, dass in Anbetracht der absoluten Mehrheit das primitive Recht des Stärkeren im Everswinkeler Gemeinderat Anwendung findet. [2]

Was gut für die Everswinkeler Bürger ist, wissen nur der Bürgermeister und die kommunalpolitischen Vertreter der CDU. Wer nicht die Meinung der Mehrheitspartei vertritt oder sie sogar kritisiert, gilt als Feind des Volkes. Das war die eindeutige, nicht zu überhörende Botschaft in einer Sitzung, in der die Arroganz der Macht demonstrativ zu Schau gestellt wurde.

Strafe für kritische Äußerungen

Die in nahezu jedem politischen Lehrbuch vertretene Ansicht, wonach die kritischen Äußerungen der Opposition ein wesentliches Merkmal für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie sind, gilt ganz offensichtlich nicht für das Kommunalparlament in Everswinkel. Im Gegenteil: Kritische Meinungsäußerungen sind hier unnachgiebig zu bestrafen.

Zur Bestätigung dieser Auffassung, wurde gleich in der ersten Ratssitzung ein Exempel statuiert. Nach Ansicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Everswinkeler Gemeinderat hatte sich die SPD im Kommunalwahlkampf „unfair verhalten“.[3] Anders formuliert: Die SPD hatte es im Wahlkampf gewagt, sich kritisch gegenüber dem Bürgermeister und gegenüber der Mehrheitspartei zu äußern.

Um die Everswinkeler SPD-Vertreter für dieses „Fehlverhalten“ zu maßregeln, sahen es der Bürgermeister und die Kommunalpolitiker der CDU als gerechtfertigt an, der SPD-Fraktion einen Sitz im Ausschuss für Planung und Umwelt zu entziehen, in dem sie kurzerhand entschieden, diesen Ausschuss von 11 auf 9 Mitglieder zu verkleinern. Dadurch kann die SPD nicht wie bisher zwei Vertreter in diesen Ausschuss entsenden, sondern ist dort nur noch mit einem Mitglied vertreten.

Fazit: Strafe muss sein, zumindest für kritische Äußerungen gegenüber dem Bürgermeister und der CDU in Everswinkel.

Vorbehalte gegenüber der Waldorfschule bestätigt

Das mangelnde Interesse an einer Verbreiterung der Meinungsvielfalt und an einem Wettbewerb guter Ideen wurde erneut bei der Ablehnung eines von Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat eingebrachten Antrags bestätigt.

Die Grünen hatten gefordert, einen Vertreter der seit dem 1. August 2000 in Everswinkel etablierten Freien Waldorfschule als beratendes Mitglied in den zukünftigen Schul-, Sport- und Kulturausschuss zu entsenden. Vor dem Hintergrund, dass die Waldorfschule „ein wichtiger Teil unserer Gemeinde ist[4] und „das Schulangebot in der Gemeinde Everswinkel durch diese besondere Schule bereichert wird“[5] ist die Teilnahme eines Vertreters der Waldorfschule an den Sitzungen des Schulausschussses sicherlich sinnvoll und berechtigt.

Nach § 85 Abs. 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ist je ein Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche als ständiges Mitglied mit beratender Stimme in den Schulausschuss zu berufen. Darüber hinaus steht es den Kommunen frei, weitere beratende Mitglieder in den kommunalen Schulausschuss zu entsenden. Die Entscheidung darüber obliegt dem Gemeinderat.[6]

Nach dem Willen der Mehrheit des Everswinkeler Gemeinderates sollen neben den beiden Kirchenvertretern lediglich jeweils ein Vertreter der beiden Grundschulen und ein Vertreter der Verbundschule als beratende Mitglieder an den Sitzungen des Schulausschusses teilnehmen.

Eine beratende Teilnahme eines Vertreters der Waldorfschule an den Schulausschusssitzungen wurde im Gemeinderat mehrheitlich ausdrücklich abgelehnt.[7]

Mit der Ablehnung des Antrags auf beratende Teilnahme eines Vertreters der Waldorfschule hat die Mehrheitspartei im Everswinkeler Gemeinderat ganz offensichtlich erneut ihre nach wie vor – zumindest unterschwellig – vorhandenen Vorbehalte gegenüber der alternativen Pädagogik dieser Schule zum Ausdruck gebracht.

Tyrannei der Mehrheit als Feind der Demokratie

Durch Meinungsfreiheit und einen Wettbewerb guter Ideen, wird der politische Diskurs garantiert, der eine Demokratie erst ermöglicht. Eine Politik, die sich vor allem auf das primitive Recht des Stärkeren verlässt, höhlt das demokratische Gemeinwesen aus.

Es ist daher zu hoffen, dass es sich bei der konstituierenden Sitzung des Everswinkeler Gemeinderates lediglich um eine „misslungene Generalprobe“ gehandelt hat.

Wenn Kommunalpolitik wie in der konstituierenden Gemeinderatssitzung in Everswinkel zum Absurden verkommt, ist das nicht nur peinlich. Es ist vor allem auch verantwortungslos

 

[1] Vgl. z. B. Christian Thegelkamp, Bürgermeister der Gemeinde Wadersloh in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates vom 09. November 2020, zitiert nach: Die Glocke vom 11. November 2020: Das Beste für die Gemeinschaft suchen – und nicht für einzelne.
[2] Vgl. Westfälische Nachrichten vom 05. November 2020: „Der neue Rat sortiert sich“ und „Grüne, SPD und FDP scheitern mit erstem Vorstoß.
[3] Vgl. Westfälische Nachrichten vom 05. November 2020: „Grüne, SPD und FDP scheitern mit erstem Vorstoß.“
[4] Vgl. Gemeinde Everswinkel: Einbringung des Haushaltsplanentwurfs 2019 am 13.11.2018 – Rede Bürgermeister Sebastian Seidel, Seite 3.
[5] Vgl. Bürgermeister Ludger Banken in: Festschrift zum 10-jährigen Bestehen der Freien Waldorfschule Everswinkel, Seite 5.
[6] Vgl. § 58 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW).
[7] Vgl. Westfälische Nachrichten vom 05. November 2020: „Grüne, SPD und FDP scheitern mit erstem Vorstoß.“