Bürgerwille erneut missachtet: Vorfahrt für Autofahrer

Der ursprünglich für das Jahr 2016[1] angekündigte Straßenendausbau für das Baugebiet Königskamp wird von der Gemeinde Everswinkel aktuell für das Jahr 2024 anvisiert.[2]

Zwar war bereits im Jahr 2010 von den Kommunalpolitikern über die Ausbauplanung entschieden worden[3], doch sollte den jetzigen Anwohnern zumindest das Gefühl suggeriert werden, bei der endgültigen Konzeption der Verkehrsplanung mitreden zu können. Dazu wurde ihnen zunächst im Rahmen einer Anwohnerversammlung[4] und ein weiteres Mal in der Sitzung des Bezirksausschusses die Gelegenheit geboten, sich zu Wort zu melden.[5]

Das Ergebnis der als „Bürgerbeteiligung“ deklarierten Gespräche war zur Überraschung der Gemeindeverwaltung, dass die Anwohner Änderungen an dem vorgestellten Entwurf einforderten.

Während von der Verwaltung für die eine Hälfte der ringförmigen Wohnstraße ein verkehrsberuhigter Bereich und für die andere Hälfte eine Tempo 30-Zone vorgesehen ist, wünschen sich die Anwohner einen durchgehend verrkehrsberuhigten Endausbau.[6]

Vorzüge verkehrsberuhigter Bereiche

Die Einrichtung eines durchgängig verkehrsberuhigten Bereichs stellt eine wichtige Möglichkeit dar, die Lebensqualität im Wohnquartier Königskamp zu verbessern. Bei einem verkehrsberuhigten Ausbau wird auf die sonst übliche Trennung zwischen Gehweg und Fahrbahn verzichtet und durch den „niveaugleichen Ausbau“ der Aufenthaltscharakter und die gleichberechtigte Nutzung durch Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrer gewährleistet.

Gerade für junge Familien mit Kindern würden dadurch in dem Neubaugebiet wohnungsnahe Bewegungs- und Spielmöglichkeiten im öffentlichen Straßenraum geschaffen. Zugleich bieten verkehrsberuhigte Bereiche aber auch Aufenthaltsangebote für alle Altersgruppen und werden häufig wegen der mit ihnen erzielten Senkung der Fahrgeschwindigkeiten auch allgemein als Verbesserung der Wohnqualität wahrgenommen.

Seit Anfang der achtziger Jahre werden in Neubaugebieten bevorzugt verkehrsberuhigte Bereiche ausgewiesen, um die Lebensqualität der Bewohner zu erhöhen. In vielen Kommunen ist auch die Umwandlung vorhandener Straßen in älteren Wohngebieten in verkehrsberuhigte Bereiche wesentlicher Bestanteil ganzheitlicher Verkehrskonzepte.[7]

Da die Gesundheit, die Lebensqualität und die Umwelt stark vom Verkehr beeinträchtigt werden, nutzen Gemeinden, für die das Wohlergehen ihrer Einwohner wesentliche Grundlage ihrer Entscheidungen ist, jede Chance zur Verbesserung der Situation und setzen entsprechende Verkehrskonzepte zur Verkehrsberuhigung um.

Wunsch der Anwohner ignoriert

In Everswinkel werden Verkehrspolitik und der Ausbau von Straßen vorwiegend vom Auto her gedacht. Wichtig ist, dass es möglichst keine Beeinträchtigungen für den Autoverkehr gibt. Der Autoverkehr muss „fließen“. Daher waren sich der Bürgermeister und die Kommunalpolitiker einig, dass etwa auf der Hälfte der Straßen im Wohngebiet Königskamp im Interesse der Autofahrer zumindest Tempo 30 gewährleistet sein muss.[8]

Zwar ist weder in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, noch in den übrigen Vorschriften eine Höchstgrenze für verkehrsberuhigte Bereiche angegeben[9], jedoch kommen die Entscheidungsträger beim Straßenausbau im Königskamp zu der Ansicht, bei einer 100%igen Verkehrsberuhigung werde ein Höchstmaß überschritten.

„Die Akzeptanz von längeren verkehrsberuhigten Zonen ist limitiert“, so die lapidare Begründung der Verwaltung.[10] Gemeint ist schlicht und ergreifend: Für den Autofahrer ist es unzumutbar in einem reinen Wohngebiet durchgängig im Schritttempo zu fahren.

Der Umkehrschluss lautet: Die Anwohner haben eine entsprechend höhere Geschwindigkeit der Autofahrer zu akzeptieren und gefälligst auf den Autoverkehr Rücksicht zu nehmen.

Chance vertan

Trotz der unübersehbaren Vorzüge eines verkehrsberuhigten Wohnumfelds für die Bewohner und insbesondere der unbestreitbaren Erhöhung der Verkehrssicherheit vor allem für Kinder und ältere Menschen wird beim Endausbau Königskamp von der Verwaltung der Gemeinde Everswinkel die hinlänglich bekannte „Basta-Politik“ an den Tag gelegt. [11]

Der berichtigte Wunsch der Anwohner nach einer durchgehenden verkehrsberuhigten Quartiersgestaltung wird nach dem Motto ignoriert: „Gut, dass wir darüber gesprochen haben“.

Mit diesem Verhalten wird sowohl eine Chance auf Verbesserung der Lebensqualität der Bürger vertan, als auch ein weiterer Beitrag zur Erhöhung der Politikverdrossenheit geleistet.

 

Straßenendausbau Königskamp

Anmerkung: Die Karte wurde der Anlage 1 zur Vorlage 074/2010 der Sitzung am 14. September 2010 des Ausschusses für Planung und Umweltschutz der Gemeinde Everswinkel entnommen und in modifizierter Form abgebildet.

 

[1] Siehe Anlage zur Vorlage 12/2011 zur Sitzung des Hauptausschusses der Gemeinde Everswinkel am 01. Februar 2011.
[2] Siehe Vorlage 004/2024 zur Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt- und Klimaschutz der Gemeinde Everswinkel am  01. Februar 2024.
[3] Siehe Vorlage 058/2010 zur Sitzung des Ausschusses für Planung und Umweltschutz der Gemeinde Everswinkel am 06. Juli 2010.
[4] Am 26. September  2023 fand eine Anliegerbesprechung statt, in der die Planung nochmals vorgestellt wurde und Gelegenheit gegeben wurde, Anregungen und Hinweise zu geben.
[5] In der Sitzung des Bezirksauschusses Alverskirchen am 30. Januar 2024 konnten sich Interessierte erneut zu Wort melden.
[6] Siehe Vorlage 004/2024 zur Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt- und Klimaschutz der Gemeinde Everswinkel am  01. Februar 2024.
[7] So hat beispielsweise die Stadt Freiburg bereits 1996 ein besonderes Konzept zur nachträglichen Umwandlung bestehender Wohnstraßen in verkehrsberuhigte Bereiche entwickelt.
[8] Siehe Vorlage 004/2024 zur Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt- und Klimaschutz der Gemeinde Everswinkel am  01. Februar 2024.
[9] Siehe Herbst, Markus: Verkehrsberuhigter Bereich (Voraussetzungen), aufgerufen am 06.  Februar 2024 unter: https://www.stvo2go.de/verkehrsberuhigter-bereich-voraussetzungen/
[10] Siehe Vorlage 004/2024 zur Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt- und Klimaschutz der Gemeinde Everswinkel am  01. Februar 2024.
[11] Vgl. hierzu insbesondere: „Basta-Politik“ statt Basisdemokratie. Abrufbar unter:https://alfred-wolk.de/perfide-kriegsrhetorik/