Die Bezeichnung „Kirchturmdenken“ umschreibt bildhaft eine Politik, die nur das eigene Dorf (eben den „Kirchturm“) im Blick hat. Die Auswirkungen dieser von egoistischen Motiven bestimmten Verhaltensweise werden nur so weit bedacht, wie man den eigenen Kirchturm sieht. Alle weitergehenden Auswirkungen, wie beispielsweise die Folgen der Entscheidungen für die nachfolgenden Generationen oder Auswirkungen für die Natur treten in den Hintergrund.
Vor allem viele ländliche Gemeinden glauben mit Hilfe einer kurzsichtigen „Kirchturmpolitik“ den Folgen des demografischen Wandels durch das „Anlocken junger Familien“ aus den Nachbarkommunen begegnen zu können.
Eine Politik, die die Konkurrenz zwischen den Kommunen um die weniger werdenden jungen Familien durch die Ausweisung neuer Baugebiete auf der „grünen Wiese“ verschärft, widerspricht dem anerkannten Ziel der Siedlungsflächenreduzierung. Eine auf „Anwerbung“ von Einwohnern aus den Nachbarkommunen gerichtete angebotsorientierte Baulandpolitik stellt nichts anderes als einen unlauteren Wettbewerb um Einwohner zu Lasten der Freiraumfunktion und damit zu Lasten der Natur dar.
Insbesondere zahlreiche Eigenentwicklungskommunen betreiben nicht zuletzt mit „wohlwollender Zustimmung“ der Landesregierung und der Bezirksregierungen eine „Kirchturmpolitik“ zum Nachteil des Freiraumschutzes.
Das Oberverwaltungsgericht NRW hat in einem Urteil[1] vom 18.10.2013 eindringlich auf die Folgen dieses Fehlverhaltens hingewiesen:
„Der Ortsteil Alverskirchen ist insoweit kein Sonderfall. Vielmehr dürften die Überlegungen der Gemeinde Everswinkel auf viele im Geltungsbereich des Regionalplans gelegene Gemeinden und ihre im Freiraum gelegenen Ortsteile zutreffen. Eine gegebenenfalls konkurrierende flächenmäßige Erweiterung dieser Ortsteile mit dem vorrangigen Ziel, dem Trend des Bevölkerungsrückganges entgegenzuwirken, würde zumindest in ihrer gedachten Häufung – die übergeordnete Regionalplanung, die mit der gewollten Siedlungskonzentration nicht zuletzt dem fortschreitenden Umweltgedanken Rechnung tragen will, zwangsläufig scheitern lassen.“[2]
Fußnoten
[1] OVG NRW, Urteil vom 18.10.2013, Az. 10 D 4/11.NE.
[2] OVG NRW, 10 D 4/11.NE, S. 21